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Das Serendipity-Prinzip – oder die Kunst des glücklichen Zufalls

Text

Rahel Grunder

Erschienen

18.10.2022

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Solide Businesspläne, eisernes Durchhaltevermögen und ein gutes Team sorgen für Erfolg, so die allgemeine Meinung. Dass aber auch der Zufall eine Rolle spielt, darüber wird wenig berichtet. Darum tun wir es hier. Und geben dir Tipps und Fallbeispiele mit auf den Weg.

«Serendipity» kommt aus dem Englischen, beschreibt das Glück der unerwarteten Entdeckung und bedeutet wörtlich: Finden, ohne zu suchen. Achtsamkeit für zufällige Erkenntnisse ist auch für Gründer*innen ein wichtiges Mindset, das zum Erfolg führen kann. Wie man dem glücklichen Zufall auf die Sprünge hilft, zeigen wir im Folgenden:

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1. Talk, talk, talk …

Sich austauschen und vernetzen und dabei auch unerwartete Synergien nutzen, sind wichtige Erfolgsfaktoren für Jungunternehmer*innen. Aber auch der Dialog mit der Zielgruppe ist elementar. Dieser beschleunigte beispielsweise die Startphase des Projekts Expedition Zukunft, das im kollaborativen Ansatz mutige Politik designt. Anfangs verbrachten die Projektpartner*innen viel Zeit damit, mit ihrer Zielgruppe über Möglichkeiten und Visionen zu sprechen. Was sie im Detail anpacken wollten, war noch nicht definiert. Als ein Politiker sie fragte: «Ich bin dabei – was machen wir als Nächstes?», waren die Projektpartner*innen zunächst überfragt. Dann packten sie die Gelegenheit beim Schopf und legten den nächsten Schritt fest. Dies, so Paolo Marioni, war eine wichtige Lektion, die sie auch gerne weitergeben: «Sprich mit so vielen Menschen wie möglich und ergreife jede Chance! Wir konnten danach Gas geben, das Angebot ausgestalten und gut aufgleisen. Hätten wir damals gezögert, wäre die nächste Gelegenheit vielleicht nicht so schnell gekommen.»

2. … and: listen …

Nicht nur mit der Zielgruppe sprechen ist elementar, genauso wichtig ist auch das präzise Zuhören. Bisweilen haben Zielgruppen nämlich Bedürfnisse und Interessen, die weder sie selber noch die Entwickler*innen vorhersehen können.

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Genau hingehört hat das Team von Scandens. Das Projekt sorgt dafür, dass energetische Gebäudesanierungen einfacher geplant und umgesetzt werden können. Durch das wachsende Bewusstsein für die Klimakrise, den Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise, grosszügige Subventionen und neue Vorschriften werden Dienstleistungsbetriebe in der Energieberatung und Planung mit Anfragen überschwemmt. Daraus folgerte das Projektteam: «Aktuell müssen nicht mehr private Hauseigentümer*innen überzeugt und unterstützt werden, sondern die Dienstleister*innen brauchen digitale Lösungen, um effizienter zu werden. Mit unserer Softwarelösung können diese mit wenigen Klicks eine ganzheitliche Sanierungsoptimierung durchführen und somit enorm Zeit sparen – ohne dabei die Qualität zu beeinträchtigen», so Diego Sigrist von Scandens.

3. … and: observe …

Das Projekt Plentii machte sich eine zufällige Beobachtung zunutze: Auf der Plattform Plentii schalten Non-Profits ihre Bedürfnisse in Form von Needs (Geld-, Zeit- oder Sachspenden) auf, die den Unterstützenden aufzeigen, wie sie mitanpacken können. Das Projektteam hat gemerkt, dass die Abfrage der Needs auch für die Non-Profits selbst ein wertvolles Tool ist, um ihre Bedürfnisse zu schärfen und Ressourcen besser zu planen. Seitdem investiert Plentii mehr Zeit in Hilfestellungen, damit genauer geplant und transparenter kommuniziert werden kann. Dies wiederum wirkt sich positiv auf beide Zielgruppen aus. «Es ist zwar kein neues Geschäftsmodell», so Micaela Marques Pinto von Plentii, «aber es hat uns im zentralen Konzept unserer Plattform enorm bestärkt – was bei einem solchen Pionierprojekt von grosser Bedeutung ist und dem Team nochmal viel Selbstvertrauen und Motivation gibt!»

4. … and: keep going!

Innovative Ideen stossen häufig nicht von Anfang an auf die erhoffte Resonanz. Es braucht Durchhaltevermögen, um auch in stürmischen Zeiten den Mut nicht zu verlieren und sich in unbekannte Gewässer treiben zu lassen. Wir raten zu einer Mischung aus beherztem Losmarschieren in eine definierte Richtung und einer neugierigen Offenheit für das, was sich unterwegs anbietet. Manchmal führen Umwege ans Ziel – einfach an ein anderes als ursprünglich gedacht.

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Dies nahm sich das Team des Projekts SimpleTrain, das nachhaltiges Reisen auf Schienen organisiert, zu Herzen. Im Februar 2020 standen die Zeichen für ein erfolgreiches Geschäftsjahr gut. Dann kam Corona. Was zuerst nach einer Katastrophe für das Start-up aussah, wendete sich zum Positiven: Denn das Team nutzte die frei gewordene Zeit, um das geplante Onlinebuchungstool intensiv voranzutreiben. In nur wenigen Monaten bauten sie eine komplette Webapplikation, was ressourcentechnisch nur möglich war, da kaum Buchungen abgewickelt werden mussten. Pünktlich zur Sommerferienbuchungszeit im April 2021 wurde das neue Tool der Öffentlichkeit vorgestellt. Nur 3 Monate später schnellten die Buchungen in die Höhe und das Start-up verzeichnete neue Rekorde.

Mit einer ähnlichen Herausforderung war auch #MoveTheDate Switzerland konfrontiert. Das Projekt setzt sich für eine nachhaltige Zukunft durch den sparsamen Einsatz von Ressourcen ein und basiert auf dem Austausch zwischen Menschen. «Die Pandemie traf uns im Kern. Wir haben aber nicht lange an den alten Plänen festgehalten, sondern uns sofort auf die digitale Entwicklung von #MoveTheDate Switzerland fokussiert, Inhalte entwickelt und eine Community mit innovativen Menschen aufgebaut», so Simone Alabor, Initiantin des Projekts. Diese Basisarbeit half dem Team, sodass es heute aus dem Vollen schöpfen kann.

Und zum Schluss noch dies: Glückliche Umstände wertschätzen für die Gesundheit

Eine 2009 erschienene Studie von Forscher*innen um den Psychologen Alex Wood von der Universität Stirling beleuchtet den Einfluss der Wertschätzung von glücklichen Umständen. Menschen, die den positiven Zufall bewusst erkennen, sind demnach selbstbewusster, haben stabilere Freundschaften und Partnerschaften und gehen besser mit Krisen um. (Quelle: Wirtschaftswoche)
 

In diesem Sinne: Auf viele glückliche Zufälle!

Pionierprojekte präsentieren sich nach der Startphase meist deutlich anders als geplant. Im Kapitel 3.4 unseres Handbuchs findest du Tipps, wie du dir glückliche Zufälle zunutze machen kannst, und einige Tricks, um gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Faktors Zufall gewappnet zu sein.

Fotos: Unsplash

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