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«Ich habe Käse mit Bakterien von meinen Füssen hergestellt»

Text

Barbara Scherer

Erschienen

01.03.2023

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Die amerikanische Forscherin Christina Agapakis programmiert Bakterien und Zellen wie Computerchips. Wie das geht und was dabei herauskommt.

Christina Agapakis, Sie haben Käse aus Fussbakterien hergestellt – das klingt nicht gerade appetitlich.

Lacht. «Ja, dieser Käse ist weniger zum Essen gedacht. Es handelt sich dabei eher um Nahrung fürs Hirn. Das Projekt entstand 2010 und damals herrschte noch viel Unverständnis gegenüber Mikroorganismen. Bakterien wurden insbesondere in den USA mehr als etwas Schlechtes angesehen.

Ich bin dann auf die sogenannten Propionibakterien gestossen, die in Schweizer Käse und an menschlichen Füssen vorkommen. Das zeigt: Wir sind, was wir essen. Mein Fuss-Käse öffnet eine Diskussion über unser Essen, unseren Körper und die Rolle von Bakterien in unserem Leben.»

Was haben Sie sonst noch umgesetzt?

«Ich habe beispielsweise im Rahmen eines Kunstprojekts den Duft des ausgestorbenen Hochlandhibiskus aus Hawaii wiederhergestellt.»

Trendtag am GDI

Christina Agapakis arbeitet als Creative Director beim Unternehmen Ginkgo Bioworks, einem Pionier für synthetische Biologie mit Sitz in Boston. Sie tritt als Referentin im Rahmen des 19. Europäischen Trendtag am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) am 8. März auf. Im Fokus der Konferenz steht dieses Jahr das Thema Bioökonomie und wie sich das Verständnis von Natur und die Beziehung zu ihr verändert und wo gesellschaftliche sowie unternehmerische Potenziale liegen.

Mehr Infos zum GDI-Trendtag

Wie geht das alles?

«Wir behandeln dafür die DNA wie einen Code, den man programmieren kann. Jedes Lebewesen besitzt DNA. Sie ist sozusagen die Festplatte, auf ihr sind alle wichtigen vererbbaren Informationen gespeichert. Wir suchen bestimmte Informationen und programmieren sie. Bei diesem Projekt habe ich DNA von einem konservierten Hochlandhibiskus genommen und den Duft gefunden und wiederhergestellt.»

Also betreiben Sie Gentechnik …

«Ja. Allerdings unterscheidet sich die Denkweise der synthetischen Biologie von früheren Ansätzen: Wir vereinen Biologie und Ingenieurwissenschaften. So wollen wir Werkzeuge zur Programmierung von Zellen und Bakterien entwickeln, mit denen man einfacher arbeiten kann.»

Welche Rolle werden programmierte Bakterien denn in Zukunft spielen?

«Beispielsweise können sie in der Parfümerie-Industrie eingesetzt werden. Denn für Gerüche nutzen wir Pflanzen, die teilweise vom Aussterben bedroht sind. Programmierte Bakterien können diesen Inhaltsstoff nachhaltig ersetzen und damit Pflanzenarten retten. Aber auch alles, das wir aus Erdöl herstellen, könnten programmierte Bakterien eines Tages ersetzen.»

Bakterien-Kultur in Petrischale

Bakterien in einer Petrischale. Doch wo trifft man sie im realen Leben an? Propionibakterien zum Beispiel im Käse und an den Füssen. Foto: © Brad Swonetz 2015/Redux/laif

Und was ist heute schon möglich?

«Im Moment arbeiten wir an Dünger. Milliarden von Menschen können dank Stickstoffdünger ernährt werden. Doch die Herstellung verursacht enorme Umweltschäden. Wir wollen Bakterien programmieren, die Stickstoff direkt in der Erde für die Pflanzen herstellen – ganz ohne Umweltbelastung.»

Programmierte Bakterien und Zellen sind aber sicher auch ein Thema in der Medizin, oder?

«Ja, absolut. Etwa mRNA-Impfungen, wie die Corona-Impfung, basieren auf dieser Technik. Die Impfung wird so programmiert, dass sie sich verändern kann, sobald das Virus mutiert. So kann sie diesen effizient bekämpfen. Wir könnten auch weisse Blutkörperchen, die ein Grossteil unseres Immunsystems ausmachen, programmieren, um Krebszellen gezielt zu zerstören. Aber auch bei der Medikamentenherstellung, könnten programmierte Bakterien helfen, etwa im Falle eines Lieferengpasses.»

Könnten wir auch Bakterien programmieren, Plastik im Ozean zu essen?

«Naja, nicht direkt. Wir können wohl irgendwann Bakterien programmieren, die Plastik essen. Würden wir sie in den Ozean lassen, würden sie aber einfach sterben. Und sollten sie überleben, würden sie wohl nur sehr langsam wachsen und könnten nicht mit den wilden Bakterien konkurrieren.»

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Ich denke, dass Biologie das Wichtigste in unserem Leben ist.

Christina Agapakis

Müssen wir Angst vor mutierten Killer-Bakterien aus dem Labor haben?

«Nein, dafür ist die Wissenschaft nicht weit genug. Zudem gibt es strenge Sicherheitsmassnahmen. Dabei muss ich sagen, das grösste Risiko mit programmierten Bakterien ist, dass sie zurück zu ihrem Ursprung mutieren und nicht mehr das tun, worauf wir sie programmiert haben.»

Bakterien könnte man aber zu biologischen Waffen programmieren…

«Theoretisch ja. Aber die international anerkannte Biowaffenkonvention verbietet den Einsatz sowie die Entwicklung, Herstellung oder Lagerung von biologischen Waffen. Wichtiger ist wohl zu sagen, dass Viren und Bakterien sich in der Natur von selbst weiterentwickeln und gefährlich werden. Darum ist es wichtig, dass die Biotechnologie auch Werkzeuge entwickeln kann, um gefährliche Krankheitserreger zu erkennen und darauf zu reagieren.»

Wie?

«Zum Beispiel durch die DNA-Analyse von Abwasser. So kann man neue Varianten des Virus erkennen, Farmen auf Vogelgrippe überwachen und die schnelle Entwicklung und Herstellung von neuen Impfstoffe und Therapien gewährleisten.»

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Blick ins Labor von Gingko Bioworks in Boston. Foto: Ginkgo Bioworks

Trotz all diesen Möglichkeiten stehen viele Menschen der Gentechnik kritisch gegenüber.

«Deshalb möchte ich wundervolle Produkte entwerfen, die den Menschen einen Nutzen bringen. Aber ich denke, es ist sehr vernünftig, skeptisch zu sein und Fragen zu stellen, um die Werte zu verstehen, die ein neues Produkt bringen soll. Ich sehe die Gentechnik als ein Werkzeug, das uns helfen kann, Herausforderungen in Bezug auf Gesundheit und Umwelt anzugehen.»

Wird Biologie in Zukunft wichtiger werden als Technologie?

«Kommt darauf an, was man unter Technik versteht! Ich denke, dass Biologie das Wichtigste in unserem Leben ist: Schliesslich ist Biologie unser Leben. Die Art und Weise, wie wir mit der Biologie arbeiten, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, mit unserer Umwelt interagieren, Krankheiten behandeln und alle Arten von Produkten, Materialien und Zutaten herstellen, ist bereits Biologie.»

Foto/Bühne: © Brad Swonetz 2015/Redux/laif

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