Steps: Tanzen, als wäre es das letzte Mal
Neun Kompanien werden im Rahmen des Tanzfestivals Steps an 38 Orten in der Schweiz auftreten. Einer der Tänzer ist Nathan Gombert, der mit dem Ballet National de Marseille ein spektakulär choreografiertes Stück mit Weltuntergangsstimmung tanzen wird. Warum Gombert trotzdem Hoffnung hat.
Nathan Gombert, was sollte der Zuschauer erwarten, wenn er sich «Room with a View» ansieht?
Es ist ein kraftvolles Stück, das an die grossen gesellschaftlichen Krisen erinnert, sei es die Klimakrise oder das Ende des Patriarchats. Es ist eine Art Weltuntergangsvision, zumindest im ersten Teil. Im zweiten Teil wird eine mitreissende Gruppenenergie freigesetzt – die Energie des Überlebens, die Energie, die es ermöglicht, gemeinsam etwas Menschliches wiederaufzubauen.
Was macht dieses Stück besonders?
Die Choreografie ist in Sachen Ausdauer sehr anspruchsvoll. Aber die Botschaft des Stücks trägt einen, und man vergisst die Anstrengung. Ausserdem hat der Komponist Rone eine sehr filmische und verbindende Elektromusik komponiert, die bezeichnend für die Welt des Kollektivs (La)Horde ist, das sich das Stück ausgedacht hat. Für mich ist «Room with a View» wie ein Film.
Sie haben diese Choreografie bereits unzählige Male getanzt. Wird Ihnen das nicht langweilig?
Nein, dieses Stück bereitet mir bei jeder Aufführung aufs Neue viel Freude. Am Ende gehen im Saal die Lichter an, und man sieht das Publikum. Die Menschen sind sehr bewegt. Manche weinen. Dieser unglaubliche Austausch mit dem Publikum gibt mir immer wieder neue Energie. Die Emotionen lassen sich dadurch erklären, dass (La)Horde auf der Bühne so viele Menschen wie möglich repräsentieren wollte. Jeder sollte sich mit einem der zwischen 18 und 45 Jahre alten Tänzer oder einer Tänzerin mit vielen verschiedenen Nationalitäten identifizieren können.
Für mich ist das Stück «Room with a View» wie ein Film
Nathan Gombert Tänzer beim Ballet National de Marseille
Tanzleben
Tänzer*innen mit Behinderungen auf der Bühne zu sehen, mag Zuschauer*innen im ersten Moment überraschen. Die anfängliche Verlegenheit weicht jedoch einer Reflexion: Die Choreografin Annie Hanauer nutzt diesen Umstand dazu, um uns darüber nachdenken zu lassen, welchen Platz wir verschiedenen Menschen in unserem Leben geben wollen. «A space for all our tomorrows» ist ein Stück über Utopien und darüber, dass viele Sichtweisen nicht nur den Horizont erweitern, sondern auch einen positiven Wandel ermöglichen.
Eine Frage der Balance
Zwei ganz unterschiedliche Choreografen arbeiten zum ersten Mal zusammen. Martin Zimmermann macht eine Mischung aus Zirkus, Tanz und Theater. Kinsun Chan hat Ballett und modernen Tanz studiert. Gemeinsam haben sie ein Stück für 15 Tänzer und Tänzerinnen erarbeitet. Ein kippender Bühnenboden bringt die Tanzenden immer wieder aus dem Gleichgewicht. Auf der Bühne befinden sich auch lebensgrosse Puppen. Das Stück behandelt die Frage: Wie gehen wir Menschen mit Ausnahmesituationen um?
Alles im Hotel
Vergessen Sie Theater- und Tanzsaal. Mirjam Gurtner entführt Sie mit «Almost Home» in ein Hotel. Dieser Ort steht für Transit, er ist eine Schnittstelle zwischen innen und aussen, dem Öffentlichen und dem Privaten. Die Tänzer und Tänzerinnen von Tanzflug, einem Verein, in dem behinderte und nicht behinderte Menschen gleichberechtigt zusammen künstlerisch arbeiten, sind übers Hotel verteilt. Die Zuschauer bewegen sich somit durch die Lobby, in den Gängen oder den Zimmern, um die Aufführung zu sehen.
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