Die Idee für das Projekt La Fabrique Circulaire entstand auf den Fluren des Unternehmens Sofies, einer Beratungsfirma für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Unternehmen und insbesondere KMU, die darum bemüht sind, umweltfreundlich zu werden, sollen bei der Entwicklung von Strategien und der Umsetzung von straffen und innovativen Abläufen unterstützt werden. «Grosse Konzerne haben es leicht, denn sie verfügen über riesige Materialmengen und die nötige Grösse sowie die richtigen Fähigkeiten, um Massnahmen für die Kreislaufwirtschaft umzusetzen zu können. Den KMU in der Westschweiz fehlt es jedoch oft an den nötigen Kompetenzen sowie an finanziellen und personellen Ressourcen. Zudem existieren nur wenige Förderprogramme zur Beseitigung von Hindernissen. Es geht also darum, diese Unternehmen zusammenzubringen, damit sie mehr Handlungsspielraum haben», erklärt Charlotte Jacquot, Koordinatorin von La Fabrique Circulaire.
So wurde das Programm von La Fabrique Circulaire entwickelt. Ende 2020 konnte es fertiggestellt und im Juni 2021 mit Unterstützung des Migros-Pionierfonds lanciert werden. Der Wettbewerb läuft noch bis zum 15. Oktober. Gegen eine finanzielle Beteiligung werden 20 Genfer Unternehmen von dieser Unterstützung profitieren können. Die Voraussetzungen: Es muss sich um ein KMU (weniger als 250 Mitarbeitende) handeln, das in Genf ansässig ist und zu besonders ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen gehört.
Aus den bisher eingegangenen 17 Bewerbungen wurden 13 von einer Jury ausgewählt. «Das Baugewerbe, die verarbeitende Industrie (Metall, Beleuchtung, Mikromechanik) und die Abfallwirtschaft sind gut vertreten, aber auch die Landwirtschaft mit dem Verband Schweizerischer Gemüseproduzenten, dem 30 Anbieter angehören und der sich für kurze Transportwege einsetzen möchte.»
Konkrete Massnahmen
La Fabrique Circulaire übernimmt also die Rolle des Impulsgebers für diese Unternehmen, die 18 Monate lang gecoacht werden: Zunächst wird eine Diagnose gestellt, um das Potenzial und die Herausforderungen zu ermitteln, dann eine Strategie im Sinne der Kreislaufwirtschaft ausgearbeitet. «Es handelt sich dabei um eine echte Zusammenarbeit mit den Unternehmen, mit dem Ziel, sie bei ihrer Umstellung zu unterstützen. Anschliessend werden Synergien und Netzwerke mit anderen Unternehmen aus der gleichen Branche geschaffen. Bündeln, was gebündelt werden kann, Ressourcen, die fehlen, beim Nachbarn entdecken, das ist ein sehr wirkungsvoller Ansatz.»
In der Praxis bedeutet das, dass ein Bauunternehmen, das sich für die Kreislaufwirtschaft engagieren will, möglicherweise lernen muss, recycelten Beton aus Bauschutt und Baustellenabfällen zu beschaffen, anstatt mit neuem Beton zu arbeiten, dessen Herstellung aus ökologischer Sicht sehr ressourcenintensiv ist. Die Gemüseproduzenten müssten mit nachwachsenden Rohstoffen produzieren und den Transport der Waren nachhaltig gestalten, indem sie den Einsatz von Lkws einschränken oder verstärkt lokal agieren. «Warum sollte man auch Tomaten aus Genf in Zürich zu Püree verarbeiten, um dieses dann in Genf zu verkaufen? Kürzere Kreisläufe, die Verarbeitung vor Ort, andere Verpackungsmethoden unter Beibehaltung von Frische, Geschmack und Qualität sind die Herausforderungen, denen sich die Gemüseproduzenten stellen müssen», unterstreicht Charlotte Jacquot.
Die meisten Unternehmen haben die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell zu ändern, um es kreislauforientierter und straffer zu gestalten. Auch wenn die Auswirkungen in ressourcenintensiven Wirtschaftssektoren, die auf industrielle Zyklen setzen, am offenkundigsten sind, können auch einige Dienstleistungsunternehmen ihr Modell ändern, wie beispielsweise eine Manufaktur, die sich dafür entscheidet, Brillen aus Holz zu entwerfen und mehr lokale Materialien zu verwenden.
Ziel ist es, die Menge der Abfälle zu reduzieren, die recycelt werden muss.
Anne-Sophie Dunand-Blaeso Geschäftsführerin von Aprotec in Carouge (GE)
«Ziel ist es, die Menge der Abfälle zu reduzieren, die recycelt werden muss»
«Aprotec ist ein Familienunternehmen, das 1958 von meinem Grossvater gegründet und dann von meinem Vater, Michel Blaesi, übernommen wurde. Seit sechs Jahren bin ich nun im Unternehmen tätig.
Wir sind 70 Mitarbeitende und arbeiten hauptsächlich in der Westschweiz. Unser Spezialgebiet? Beleuchtung von Notausgängen! Die grünen Schilder mit einem Pfeil und einem Männchen, das läuft, das Sie beispielsweise über Notausgängen in Kinos sehen – die kommen von uns. Wir produzieren, verkaufen und warten unser Material. 2012 wurden wir mit dem Label «Swiss made» ausgezeichnet, wir waren aber immer schon bemüht, in kurzen Kreisläufen zu arbeiten. Um auf dem Markt attraktiv zu bleiben und unseren Werten treu zu bleiben, müssen wir uns ständig anpassen und nach neuen Lösungen suchen, lokal zu arbeiten.
Als ich von La Fabrique Circulaire hörte, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Alle Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung nehmen Zeit, Energie und Ressourcen in Anspruch. Ich erhoffe mir vom Projekt La Fabrique Circulaire, dass es uns dabei hilft, unser Geschäftsmodell noch besser zu strukturieren und unsere Strategie zu verbessern und es uns die besten Werkzeuge dafür an die Hand gibt. Wir schätzen es sehr, von Fachleuten begleitet zu werden und uns mit anderen Preisträgern austauschen zu können, die dieselben Werte haben!
Eine Herausforderung bei Aprotec? Es gibt Materialien, die in der Schweiz nicht erhältlich sind, wie Batterien. Es wird sehr schwer werden, diesen Aspekt zu verbessern. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in Genf wird es uns jedoch gelingen, Lösungen zu finden, die lokaler ausgerichtet sind, z. B. im Zusammenhang mit der Lieferung von Materialien oder der Verpackung. Eine intensivere Zusammenarbeit mit Genf würde uns Zeit ersparen und somit unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
Vor zehn Jahren haben wir auf eine Notbeleuchtung mit LEDs umgestellt. Der Verbrauch ist geringer und die Lebensdauer ist länger. Wir produzieren unser Material in Zürich und in Carouge. Natürlich fallen bei unserer Geschäftstätigkeit Abfälle an, die unbedingt recycelt werden müssen, wie Batterien und Elektrokabel. Es werden auch Produkte in Kartons geliefert, für die wir nicht unbedingt Verwendung haben. Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft könnten wir sie an ein anderes Unternehmen weitergeben, das uns wiederum andere Dinge im Tausch geben würde. Recyceln ist eine gute Sache, aber das Ziel ist auch, die Menge der Abfälle, die recycelt werden muss, zu reduzieren. Es müssen konkrete Lösungen gefunden werden, um unseren ökologischen Fussabdruck auf dem Planeten zu verkleinern.
Auf jeden Fall sind wir fest entschlossen, uns zu verbessern. Und das ist kein Greenwashing! Ich verspreche mir auch viel von Forschung und Innovation. Die Welt ist dabei, sich zu verändern. Und wir müssen Teil dieser Veränderung sein. Dies wird viele Jahre harte Entwicklungsarbeit erfordern, die mein Vater bereits begonnen hatte. Die drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung – Wirtschaft, Soziales und Umwelt – werden in der Führung unseres Familienunternehmens stets vorrangig berücksichtigt werden.»
Ich möchte den Materialien ein zweites Leben schenken
Edward Kernen, Geschäftsführer von AAV Contractors, Plan-les-Ouates (GE)
«Ich möchte den Materialien ein zweites Leben schenken»
«Ich stehe seit zehn Jahren an der Spitze eines Familienunternehmens, das seit etwa 100 Jahren besteht. Wir fertigen Metallkonstruktionen, Schmiedearbeiten, Geländer, Treppen, Industrietore und Gebäudehüllen an. Wir investieren viel Zeit, um den Kundenservice, die Effizienz des Teams und den Komfort zu verbessern. Es geht immer darum, profitabel und schnell zu arbeiten und neue technische Lösungen zu finden.
Aber ich stelle mir jetzt andere Fragen: Was könnten wir in Bezug auf unser lokales Netzwerk und im Interesse der Umwelt besser machen? Ich bin überzeugt, dass einem Austausch auf regionaler Ebene der Vorzug gegeben werden muss. Natürlich benötigen wir Materialien wie Stahl, Aluminium, Glas oder Pulverlack, die wir aus ganz Europa beziehen. Anders lässt sich das nicht machen. Aber ich kenne nur unser eigenes Vertriebsnetz. Vielleicht gibt es Alternativen.
Mein Ziel ist es, unsere Lieferanten besser auszuwählen, neue Lieferanten zu entdecken, sei es aus der Region oder aus Europa, aber mit mehr Umweltbewusstsein. Und ich möchte vor allem unsere Abfälle verwerten. Wir produzieren jedes Jahr 50 Tonnen Stahl- und Aluminiumspäne, die auf elementare Art und Weise recycelt werden. Vielleicht können wir diese Abfälle anders verwerten?
Wir müssen langfristig über alternative Versorgungs- und Wirtschaftsmodelle nachdenken. Wie können wir unsere Kunden bei der Verlängerung der Lebensdauer ihrer Objekte unterstützen? Wir stellen zwar Türen, Fassaden und Fenster her, aber es sollte auch die Instandhaltung dieser Objekte verbessert werden, damit sie nicht systematisch weggeworfen und ersetzt werden. Im Bauwesen ist das Konzept der Mehrfachnutzung bei der Gebäudesanierung überhaupt nicht gängig. Alles, was entfernt wird, wird heutzutage entsorgt, manchmal recycelt. Man müsste sich allerdings überlegen, wie man einem Material ein zweites Leben schenken oder es in einem anderen Bauwerk wiederverwenden kann.
Dieser Ansatz ist relativ neu. Vor 20 Jahren konnten wir uns diese Fragen noch gar nicht stellen. Ich möchte mich dieser Herausforderung jedoch persönlich und im Interesse des Unternehmens stellen. Dank des Projekts La Fabrique Circulaire haben wir hoffentlich die Chance, unseren Energieaufwand zu quantifizieren und unsere CO2-Bilanz zu erstellen, um eine klarere Vorstellung zu bekommen, anhand derer wir Indikatoren aufstellen, unsere Produkte besser auswählen und Synergien finden können.»
Foto/Bühne: Nicolas Righetti
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