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Elias Reichert

Foto Elias Reichert

Meine Ziele

«Ich möchte nicht nur als Schauspieler tätig sein, sondern die zeitgenössische Theaterwelt aktiv mitgestalten. Ich sehe meine Zukunft nicht nur als Ensembleschauspieler mit Festanstellung, sondern möchte mir die Freiheit bewahren, eigene Projekte durchführen zu können: Sei das im Film, in der freien Szene, im performativen Bereich, vor, auf, neben und hinter der Bühne und Kamera, als Schauspieler und Regisseur. Theatermacher – so würde ich meinen Berufswunsch betiteln. Mein Ziel ist es, mit den Geschichten, die ich erzähle, Menschen zu bewegen und sie in irgendeiner Form zu bereichern.»

Biografie

Elias Reichert ist am 5. Juni 1992 in Zürich geboren. Er wächst in einer Musikerfamilie auf und spielt selbst Geige, doch es ist das Schauspielen, das ihn in den Bann zieht. Von 2009 bis 2011 spielt Reichert am Jungen Schauspielhaus Zürich in verschieden Projekten mit. Nach der Matura mit altsprachlichem Schwerpunkt im Jahr 2010 besucht er verschiedene Kurse in Schauspiel und Puppenspiel und wirkt in verschiedenen Produktionen, unter anderem am Schauspielhaus und Opernhaus Zürich sowie an der ZHdK, mit. 2011 gründet er zusammen mit Stefania Burla das freie Schauspielerkollektiv DAS KALKÜL, wo er bis heute in verschiedenen Projekten involviert ist. Seit 2014 studiert er an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig bzw. am Schauspiel Köln, wo er Teil des Studios ist.

Auszeichnungen

  • 2016: Studien- und Förderpreis Schauspiel des Migros-Kulturprozent
  • 2015: Studienpreis Schauspiel des Migros-Kulturprozent

Rezensionen

Bunte Lichter im Bombenhagel (2017)
Explosion oder Implosion? (2017)
theater:pur (April 2017)
Schubladen aufbrechen, Grenzen ausloten (2013)

Interview

Talent des Monats

1. November 2016, Katharina Nill

Über viele Jahre hinweg verfolgt Elias Reichert seinen Wunsch, Schauspieler und Regisseur zu werden, hartnäckig und klar. Die Ernte seiner Mühen holt er jüngst nicht zuletzt mit dem Studien- und Förderpreis des Migros-Kulturprozent ein.

Man möchte meinen, dass seinen Weg schon findet, wer nur deutlich genug seine Berufung spürt. Das gilt auch für den Jung-Schauspieler und Regisseur Elias Reichert. Und doch hat das Schicksal ihn und seinen Berufswunsch auf eine ungewöhnlich harte Probe gestellt. Es sollten Jahre vergehen, bis er landet, wo er heute, dank eines Nachrückverfahrens, ist: Im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Schauspieler an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater «Felix Mendelssohn Bartholdy». «Nicht an meinem Schicksal zu zweifeln, hat sich gelohnt», sagt Elias Reichert und beginnt, von vorn zu erzählen.

Aufgewachsen als Kind von Profi-Musikern in Zürich und Winterthur, fasziniert sich Reichert schon im Kindergarten für Krippenspiele. Mit 12 Jahren tritt er der Jugendbühne Weidenkam bei, und die Leidenschaft fürs Schauspiel festigt sich. «Mit 15 oder 16 Jahren dann hatte ich eine kleine Identitätskrise: ‹Wohin mit mir? Was machen? Schule scheisse, alles scheisse …› Erst da kam mir die Idee, dass ich Schauspielen durchaus zum Beruf machen könnte.» Er tritt dem Jungen Schauspielhaus Zürich bei und beginnt, sich an Schauspielschulen zu bewerben und vorzusprechen. «Oft kam ich in die Endrunde, manchmal bekam ich einen Nachrückerplatz angeboten – doch geklappt hat es nie. Das war eine harte Zeit. Und langwierig.»

Magie des Loslassens

2013 entscheidet er sich, ein Jahr Pause von dem Frust zu machen, und seinen Ausbildungswunsch auf mögliche Alternativen zu überprüfen. «Und mit einem Mal hatte ich allerhand zu tun.» Reichert beginnt, mit Musikstudierenden der Zürcher Hochschule der Künste zu kooperieren, und er bekommt für die Saison 2013/14 bei dem spanischen Regisseur Calixto Bieito für «Die Soldaten» am Opernhaus Zürich und der Komischen Oper Berlin einen Fuss in die Tür. «Ich bin Calixto irgendwie aufgefallen, habe einen speziellen Draht zu ihm entwickelt und durfte wirklich tolle Sachen in dem Stück machen.»

Kurz darauf bekommt er das Angebot, in dem virtuosen Matrosenchor in René Polleschs Stück «Herein! Herein! Ich atme euch ein!» mitzuwirken – wird sogar zum Führer des 23-köpfigen Chores. Parallel dazu erarbeitet und spielt Reichert Produktionen mit seinem Kreativkollektiv DAS KALKÜL. Er hatte das Kollektiv 2011, ein Jahr nach seiner Matura und mit gerade 19 Jahren, gemeinsam mit Stefania Burla gegründet.

Ein gutes Jahr später und um all diese Erfahrungen reicher, entscheidet sich der junge Mann mit dem dunklen Haar und den warmen braunen Augen zu einem letzten Bewerbungsanlauf an «nur noch drei Schulen». Er wird in Leipzig angenommen. «Als ich dann 2015 und 2016 den Studienpreis, 2016 zusätzlich auch den Förderpreis des Migros-Kulturprozent erhielt, hat mich das in meinem Tun sehr bestätigt.»

Rückblickend haben die Wanderjahre Reichert stark gemacht: «Vordergründig hat mir das Scheitern nichts gebracht, weil ich zunächst nie an mein Ziel kam: ein Studienplatz. Im Nachhinein realisiere ich jedoch, wie sehr ich von den diversen Feedbacks, Rückmeldungen und Bestätigung unabhängiger Instanzen gezehrt habe. Diese Erfahrungen haben mich gefestigt. Die Selbstzweifel und Hürden, die einige meiner Kollegen im Studium erleben, habe ich hinter mir.» Doch von Bestätigung, sagt er, wird er sich schon berufsbedingt nie unabhängig machen können. «Jedes Feedback macht die eigene Arbeit einfach bedeutender.»

Institutionskritisch

Gegenwärtig hält sich der junge Mann, der in seiner gedanklichen, sprachlichen und auch optischen Klarheit völlig aufgeräumt wirkt, in Köln auf. In Folge einer Kooperation mit seiner Hochschule ist er dort am Schauspielstudio als Teil des Ensembles des Schauspiel Köln. Unter professionellen Bedingungen lernt er seinen zukünftigen Beruf noch vor der Abschlussprüfung kennen und wird auf die Anforderungen im Theater vorbereitet. Ohne Umschweife kommt Reichert auf seine Ernüchterung im Hinblick auf diese «professionellen Bedingungen» zu sprechen; auf die «Prinzipien des Systems», die ihn stören.

Die politische Seite von Reichert schält sich heraus. «Mit zunehmender Erfahrung bestätigt sich mein Eindruck, dass vieles in der Theaterwelt nicht ganz richtig läuft. Die Verfügbarkeitspolitik beispielsweise grenzt an eine Leibeigenschaft: Jedes Mal, wenn wir die Stadt verlassen wollen, müssen wir einen Schein ausfüllen, der dann vom Intendanten unterzeichnet wird. Ein anderes Beispiel sind Schauspieler, die seit 20 Jahren am Haus sind, ihre Dienstzeiten abspielen, unkündbar sind – und oftmals gemütlich dabei werden. So möchte ich nicht sein – ich möchte immer etwas zu erzählen haben.»

Reichert hat den Eindruck, dass Theaterhäuser sehr hierarchisch funktionieren: «Ich empfinde das bisweilen als kreativitätstötend. Ich habe Sorge, dass es an vielen Staatstheatern nicht mehr um die Sache geht, sondern um die Institution und deren Renommee.» Doch der Jungschauspieler ist reflektiert und vielleicht auch demütig genug um zu wissen, dass er das System nicht per se umzukrempeln vermag. «Ich weiss ja auch nicht, welches System besser wäre. Aber ich merke, dass ich mich von diesem System zumindest nicht abhängig machen will.»

Für ihn liegt die Lösung im Traum von der kollektiven Arbeit. «Meine Erfahrung zeigt mir, dass jene Projekte, an denen jeder Beteiligte daran interessiert wird, dass etwas Tolles dabei herauskommt, auch gut gelingen. Keiner würde da sagen: ‹Ich bin ja nur der Schauspieler …›» Reichert referiert mit dieser Idee auf die legendären Intendanten Claus Peymann und Peter Stein und deren Modell eines Mitbestimmungstheaters, bei der die Mitglieder des Ensembles und des technischen Personals als Theaterkollektiv in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.

Demokratisches Theater

Diese Erfahrungen bringen Reichert zu einer klaren Zukunftsvision: «Ich sehe meine Zukunft nicht nur als Ensembleschauspieler mit Festanstellung, sondern möchte mir die Freiheit bewahren, eigene Projekte durchführen zu können: Sei das im Film, in der freien Szene, im performativen Bereich, vor, auf, neben und hinter der Bühne und Kamera, als Schauspieler und Regisseur. Kurzum: Theatermacher.» In vielerlei Hinsicht hat er diesen Traum mit der Gründung von DAS KALKÜL in Zürich schon verwirklicht.

Dieses besteht derzeit aus fünf Beteiligten, die durchaus nicht immer vollständig an einem Stück partizipieren – schon auf Grund der unterschiedlichen Standorte. Das KALKÜL will neue Theatermöglichkeiten auszuloten und orientiert sich dabei immer weniger an bereits vorhandenen Originaltexten. Oftmals auf der Basis von Improvisationen entwickeln die Mitglieder neue Stoffe oder bearbeiten alte Geschichten neu. Nach der Tournee von «Die kahle Sängerin» anlässlich des Dada-Jubiläums inszeniert DAS KALKÜL als Nächstes «Nora» nach Ibsen. «Prinzipiell ist jeder für alles verantwortlich, in der Praxis bilden sich natürlich schon individuelle Kompetenzen heraus. Hierbei ist die Gruppe so offen konzipiert, dass wir für bestimmte Projekte auch mit Dritten zusammenarbeiten.»

Eine Zeitlang hatte Reichert den Traum einer eigenen Bühne mit eigenen Inszenierungen und Gastspielen von Dritten. «Davon habe ich vorerst Abstand genommen, weil ein eigenes Haus schnell zu einem Verwaltungsakt wird, der von der künstlerischen Tätigkeit ablenkt. Und ich denke, dass meine Stärke mehr bei der kreativen als der organisatorischen Arbeit liegt. Mein neuer Traum ist, dass wir mit unserer Kunst auf verschiedenen Bühnen gastieren. Eine eigene Probebühne in Zürich wäre natürlich toll, aber ohne diesen geregelten Theaterabendbetrieb mit PR, Personal, Kasse und dem kompletten Unterhalt der Räume.»

Zeitgenössische Vorbilder

Elias Reichert findet die Arbeit als Regisseur und als Schauspieler gleichermassen zufriedenstellend. «Die Liste meiner Vorbilder ist endlos, sowohl unter den Schauspielern als auch Regisseuren. Als Regisseur inspirieren mich aber besonders die Arbeiten von Rimini Protokoll und Pollesch.» Mit ihrer Performancekunst zwischen Realität und Fiktion begründete Rimini Protokoll in den vergangenen 15 Jahren einen Gegenentwurf zum herkömmlichen Theater, der die junge Theaterszene prägt. Kennzeichnend für ihre Projekte sind Laien-Darsteller, die nicht als Laien-Schauspieler sondern als Experten des Alltags im Zentrum stehen.

«Während mich an Rimini Protokoll die neue Form des Theaters fasziniert, ist es bei Pollesch der desillusionistische Ansatz. Zunächst dachte ich, dass es Pollesch darum gehe, sein Publikum auf den Arm zu nehmen. Beim Spielen aber habe ich gemerkt, dass der Zuschauer aus der Überforderung heraus lacht, weil Pollesch mit seinen Stoffen unsere Denkmuster und Moralvorstellungen sprengt. Gleichzeitig haben seine Inszenierungen Tempo, Atmosphäre und Energie. Man kann das Effekt nennen, auch wenn das Wort in Verruf geraten ist …»

Reichert, das ist auffallend im Gesprächsverlauf, nimmt sich die Zeit und denkt seine Gedanken zu Ende, bevor er deutlich und pointiert weiterspricht: «Ich bin der Ansicht, dass Theater nicht nur desillusionieren, sondern gerade auch illusionieren soll: Theater soll Welten öffnen, die Phantasie anregen, Kreativität befördern, aber auch Wahrheiten offenbaren und am Bewusstsein der Leute rütteln.»

Manchmal, sagt er, überkomme ihn das dringende Gefühl, zu den Wurzeln des Elends in dieser Welt reisen und dort mit anpacken zu müssen, doch dann, erinnert er sich: «Meine Kernkompetenz ist es nun einmal, die Menschen dadurch zu erreichen, dass ich Geschichten erzähle. Es darf mir vielleicht genügen, wenn ich bei den 400 Köpfen pro Vorstellung etwas auslösen kann – irgendwas.» Es darf. Sind es nicht Geschichten, mit denen sich die Menschheit seit Jahrtausenden tröstet, ablenkt, unterhält und bildet?

Elias Reicherts Theaterkollektiv DAS KALKÜL

Auftritte

Aktuelle Auftritte sowie vergangene Auftritte seit 2017 unter: https://www.schauspiel.koeln/menschen/schauspielerinnen/elias-reichert/

  • 2016: «Die 39 Stufen»; Rolle: Richard Hannay; Regie: Matthias Thieme; HMT Leipzig
  • 2016: «Philoktet»; Rolle: Philoktet; Regie Ulf Manhenke; HMT Leipzig
  • 2016: «Die kahle Sängerin»; Rolle: Feuerwehrhauptmann; Regie: DAS KALKÜL; Keller62 u.a., Zürich
  • 2015: «Dead End»; Rolle: Chadwick; Regie: DAS KALKÜL; Zürich
  • 2014: «Die Soldaten»; Rolle: Betrunkener Offizier, Soldatenchor; Regie: Calixto Bieito; Opernhaus Zürich und Komische Oper Berlin
  • 2014: «Herein! Herein! Ich atme euch ein!»; Rolle: Chorführer; Regie: René Pollesch; Schauspielhaus Zürich
  • 2012: «Faust»; Rolle: Faust, Mephistopheles, Margarethe; Regie: Elias Reichert; Winterthur, Wien, Weidenkam
  • 2011: «Songs, my Mother taught me»; Rolle: Ives; Regie: Daniel Fueter; Zürcher Hochschule der Künste
  • 2010: «aufgeräumt»; Rolle: Gregor M.; Regie: Eva Rottmann; Schauspielhaus Zürich

Fotos

Foto Elias Reichert

© Stefan Klueter

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