Die LGBT+Helpline berät lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und queere Menschen oder deren Angehörige, die Fragen haben oder Hilfe suchen. Es können dort aber auch Vorfälle von Diskriminierung und Gewalt gemeldet werden. Das Migros-Kulturprozent unterstützt die geplante Weiterentwicklung der Helpline, die von Pink Cross koordiniert wird, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer der Schweiz. Geschäftsleiter Roman Heggli (30) erklärt, was genau geplant ist.
In welche Richtung soll sich die Helpline weiterentwickeln?
Wir möchten, dass sie zur ersten Anlaufstelle für jegliche Fragen rund um LGBTIQ wird. Es gibt viele spezialisierte Angebote für einzelne Gruppen, aber es ist nicht ganz leicht, da den Überblick zu behalten. Wenn sich Leute bei uns melden, helfen die ehrenamtlichen Berater*innen wenn möglich direkt weiter – oder verweisen auf eine der anderen Stellen. Damit wir aber zu ersten Anlaufstelle werden, möchten wir die Helpline in der ganzen Öffentlichkeit noch bekannter machen.
Wie stark wird die Helpline genutzt und von wem?
Wir haben pro Monat mehrere Anrufe und Mails von ganz unterschiedliche Menschen. Da gibt es Jugendliche, aber auch Ältere, die Unterstützung beim Coming-out suchen, Eltern queerer Kinder, die Fragen haben, aber auch Asylsuchende, die um Hilfe bitten. Gewalterfahrungen oder Diskriminierungen werden in der Regel über ein Online-Formular gemeldet und eher selten telefonisch.
Wie viele Vorfälle werden pro Jahr gemeldet?
2020 waren es 61 Fälle, von Beschimpfungen bis zu physischen Angriffen. Da sind nur unwesentlich weniger als im Vorjahr, obwohl wegen Corona mehr Leute zu Hause waren. Mit 18 Prozent hat immerhin die Zahl der physischen Angriffe leicht abgenommen. Aber wir müssen von einer riesigen Dunkelziffer ausgehen – nur knapp 20 Prozent dieser Vorfälle wurden der Polizei gemeldet.
LGBT+Helpline
Das Migros-Kulturprozent unterstützt die Weiterentwicklung der LGBT+Helpline des schwulen Dachverbands Pink Cross. Die Helpline existiert seit 2016 und ist einerseits eine Beratungsstelle für queere Menschen, andererseits können dort auch Vorfälle von Diskriminierung und Gewalt gemeldet werden. Homo- und transphobe Gewalt werden in der Schweiz nicht systematisch erfasst, die Meldungen bei der Helpline sollen eine klarere Datenlage schaffen und so dazu beitragen, Diskriminierung und Gewalt gezielter zu bekämpfen. Die Helpline kann online oder telefonisch erreicht werden und richtet sich an alle LGBTQ-Menschen, die Unterstützung suchen.
Weitere Infos: lgbt-helpline.ch, 0800 133 133 (Mo-Do, 19-21 Uhr).
Gibt es geografische Schwerpunkte?
Hate Crimes passieren überall, aber es gibt eine gewisse Konzentration in Zürich. Wohl weil dort auch die Sichtbarkeit von queeren Menschen höher ist als auf dem Land. Die meisten Betroffenen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Inzwischen erfassen auch einige offizielle Stellen solche Vorfälle – gibt es da schon Zahlen?
Die Stadt Zürich und der Kanton Fribourg haben Anfang 2021 mit der Erfassung begonnen. In Zürich wurden in den ersten vier Monaten bereits rund ein Dutzend Fälle erfasst – wir sind gespannt auf die Zahlen Ende Jahr. Besser wäre natürlich, es gäbe eine nationale Statistik.
Inwiefern helfen diese Informationen, Gewalt und Diskriminierung gegenüber LGBTIQ anzugehen?
Ziel ist es nicht zuletzt, dass die Polizei sensibilisierter für das Thema ist. Betroffene sollen davon ausgehen können, ernst genommen zu werden, wenn sie zur Polizei gehen. 2020 war das laut unseren Rückmeldungen meist der Fall – aber nicht immer. Letztlich ist das aber nur Symptombekämpfung. Ideal wären präventive Massnahmen, damit es gar nicht zu solchen Vorfällen kommt. Dazu müssten etwa auch Schulen das Thema aufgreifen, aber da bewegt sich noch nicht viel. Wir würden uns einen nationalen Aktionsplan des Bundes wünschen, wo beispielsweise auch die Schulen in die Pflicht genommen werden. Aber da fehlt es noch am politischen Willen. Es bräuchte generell mehr Aufklärung und rechtliche Gleichstellungen wie z.B. die «Ehe für alle».
Wie hilfreich ist die Unterstützung durchs Kulturprozent?
Wir sind froh darüber, denn es ist eine Art Gütesiegel und signalisiert, dass die Stelle eine gewisse Bedeutung hat. Die Weiterentwicklung der Helpline wird von diversen Stiftungen unterstützt, doch ist das Ziel letztlich eine nachhaltige Finanzierung durch die öffentliche Hand.
Foto/Bühne: Luis Pestana
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