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Von Neu-Delhi nach Lausanne, der Weg einer Kämpferin

Text

Patricia Brambilla

Erschienen

02.05.2023

Sweta Tosti am Bahnhof

Einen Arbeitsplatz in der Schweiz zu finden, wenn man von woanders kommt, kann sich als höchst schwierig erweisen. Sweta Tosti, die in Indien als Elektronikingenieurin gearbeitet hat, kann ein Lied davon singen.

Für Sweta Tosti ist die Schweiz ein liebenswertes Land. Ein gastfreundliches und gut organisiertes Land, wo die Busse pünktlich fahren, aber der Arbeitsmarkt so kompliziert ist wie ein Uhrwerk.

Als sie 2012 der Liebe wegen – sie begleitet ihren Mann in seine Schweizer Heimat – nach Lausanne kommt, ahnt sie noch nicht, welche Hürden auf sie warten. Schon in Indien, wo sie geboren und aufgewachsen ist, gab es Schwierigkeiten, als sie mit ihrer festen Entschlossenheit, zu studieren, das Schicksal herausforderte.

«Ich bin in einem kleinen Dorf geboren, wo Frauen nicht berufstätig sind. Meine Familie hatte kein Verständnis für meine beruflichen Ambitionen.» Sie lächelt, als sie an die Jahre allein in Delhi denkt, wo sie es schaffte, ihre Arbeit als Wartungstechnikerin für die Telekommunikationssysteme der städtischen U-Bahn und ein Fernstudium unter einen Hut zu bekommen.

Die Abschlüsse anerkennen lassen

Als sie in die Schweiz kommt, mit einem Bachelor in Elektronik und Kommunikation in der Tasche, folgen die nächsten Schwierigkeiten. Französisch zu lernen, das sie heute sehr gut beherrscht, ist nur eine der Hürden auf ihrem Weg.

«Ich musste meine Abschlüsse anerkennen lassen. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und es hat mich mehrere Hundert Franken gekostet, eine Validierung zu erhalten.» Sie schreibt unzählige Bewerbungen, schickt ihre vollständigen Unterlagen, erhält aber meistens Absagen. «Ich bekam Standardantworten, oft an Herrn Tosti adressiert …»

Sie erweitert den Radius bis nach Sitten, Genf, versucht, einen Einstieg in die Welt der Uhrmacherei. Aber alles, was sie ergattern kann, sind kurzzeitige Praktika in Elektronikfirmen.

«Ich bin froh, dass ich diese Chance bekommen habe. Dank dieser Praktika habe ich erkannt, dass meine Ausbildung als Elektronikerin nicht mehr wirklich dem entspricht, was heute gesucht wird. In Indien war 3G der neueste Stand der Technik, hier spricht alles von 5G, es besteht eine technologische Kluft.»

Portrait Sweta Tosti am Bahnhof

Trotz der Schwierigkeiten bleibt Sweta Tosti zuversichtlich und hofft, dass man ihr eine Chance geben wird.

Diese Unsicherheit, nicht zu wissen, in welche Richtung ich gehen soll, bereitet mir manchmal schlaflose Nächte.

Sweta Tosti Migrantin

Da es nicht ihrem Wesen entspricht, aufzugeben, überdenkt Sweta Tosti ihren Weg und lenkt ihren Lebenslauf in eine neue Richtung. Dank der Unterstützung von Hilfsvereinen wie Découvrir (unterstützt von Engagement Migros, siehe Kasten) und Powerhouse hat sie kürzlich eine Programmierausbildung begonnen, die online von der EPFL Extension School abgehalten wird. Sechs Monate, um die Programmiersprache Python zu lernen.

«Ich habe danach zwar keine Arbeitsgarantie, aber man darf die Hände nicht in den Schoss legen. Das hat mich motiviert, noch einen Schritt weiter zu gehen.»

Sweta Tosti strahlt eine ruhige Stärke aus, auch wenn sie zugibt, sehr schwere Momente hinter sich zu haben. «Diese Unsicherheit, nicht zu wissen, in welche Richtung ich gehen soll, bereitet mir manchmal schlaflose Nächte.»

Heute, mit 41 Jahren, kümmert sie sich um ihre beiden Kinder, schreibt mit Unterstützung ihres Mannes weiter Bewerbungen und hofft auf Nachrichten von einem Unternehmen, das sich auf elektronische Geräte für den medizinischen Bereich spezialisiert hat.

Hoffen auf das Glück

Um sich vom ewigen Warten abzulenken, hat sie sich etwas einfallen lassen. Sie betreibt ihren eigenen YouTube-Kanal, Maison Masala, der sich gänzlich der vegetarischen indischen Küche widmet. Pro Woche lädt sie ein neues Rezept hoch und hat mittlerweile bereits 85 Videos gepostet, von denen einige – Naan-Brote mit Käse – bereits mehr als 20.000 Klicks erzielt haben.

«Ich mache alles selbst. Kochen, filmen, editieren, dabei kann ich alle negativen Energien loswerden», sagt sie lachend. Es ist gleichzeitig eine Möglichkeit, etwas über Indien und seine subtilen Schwingungen zu verbreiten. So oft wie möglich kehrt sie dahin zurück, um ihre Familie zu sehen und zu meditieren.

Sie bleibt zuversichtlich, hofft, dass sich eine Tür für sie öffnet, und rät allen Neuankömmlingen: «Es reicht nicht aus, sich zu bewerben, man muss sich von einem Verein, der den Arbeitsmarkt in der Schweiz kennt, helfen und begleiten lassen. Man muss um Hilfe bitten und darf nicht zögern, auf die Menschen zuzugehen.»

Hilfe für qualifizierte Migrantinnen anbieten

Mit Basis in Genf und Aussenstellen in den Kantonen Waadt und Neuenburg verfolgt der Verein Découvrir das Ziel, qualifizierten Migrantinnen dabei zu helfen, sich in die Berufswelt einzugliedern. Er hat bereits knapp 4.500 Frauen aus 80 Ländern beraten, allesamt mit jeder Menge Abschlüssen und hoher Qualifikation.

«Manchmal ist es unmöglich, eine Anerkennung zu bekommen. Man muss die Sprache, das Networking und die Bewerbungscodes lernen. Das dauert mehrere Jahre», erklärt Rocio Restrepo, Gründerin des Vereins.

Sie weiss, wovon sie spricht, da sie selbst 1999 aus Kolumbien hierherkam, mit ihrem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre in der Tasche, sich aber nie in den Arbeitsmarkt eingliedern konnte. «Ich bekam nur Jobs weit unter meiner Qualifikation angeboten. Ich habe alles gemacht, vom Babysitten bis hin zum Putzen. Sogar ein Bachelorstudium in Psychologie an der Universität Genf habe ich absolviert, aber dennoch keine Stelle bekommen.

Deshalb gründete ich 2007 den Verein Découvrir, um die Frauen zu begleiten, damit sie nicht so viel Zeit verlieren wie ich.» 2022 haben es dank des Vereins fast 130 Frauen geschafft, eine Stelle zu finden. Dieser ist heute ein richtiges kleines Unternehmen, mit 25 Angestellten, und wurde von Migros Engagement unterstützt.


Infos auf www.associationdecouvrir.ch

Jetzt Ideen einreichen

Mit dem Förder­programm «ici. gemeinsam hier.» setzt sich Migros-Engagement für die kulturelle Vielfalt in der Schweiz ein. Bis Ende Mai können neue Projektideen ­eingereicht werden: ici-gemeinsam-hier.ch

Fotos: Jérémy Bierer

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