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So wird dein Musikgeschmack manipuliert

Text

Rahel Schmucki

Erschienen

18.02.2022

Frau mit Kopfhöhrern in der Küche am tanzen

Spotify schlägt uns Lieder vor, die wir gerne mögen. Wie funktioniert das und was hat die Plattform davon? Digital-Journalist Tobi Müller erklärt, was dahinter steckt.

Tobi Müller, ein DJ wählt die Musik nach Gefühl aus. Wie schlägt uns Spotify Lieder vor?
Auf der Musikplattform funktioniert das zum einen mit sogenannten Algorithmen, zum andern mit Playlists, die von Hand erstellt werden.

Was muss ich mir unter einem solchen Algorithmus vorstellen?
Ein Algorithmus ist nichts anderes als eine Rechenleistung, die in einigen Fällen selbst dazu lernen kann, dann sprechen wir von künstlicher Intelligenz.

Und wie funktioniert das bei Spotify?
Wir wissen dies nicht mit Sicherheit. Ich vermute aber, dass der Algorithmus mit jedem neuen Lied, das man sucht, weiter dazulernt. Nach einem Lied schlägt es dir wahrscheinlich Lieder vor, die andere auf der Plattform nach deinem ersten Lied gehört haben. Dann gibt es aber auch Algorithmen, die das Lied auf seine Struktur untersuchen und dir ein ähnlich aufgebautes Lied vorschlagen. Aber das bringt einen ja nicht weiter.

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Foto: Wolfgang Stahr

Zur Person:

Tobi Müller (51) ist freischaffender Kulturjournalist und Autor in Berlin. Am Samstag, 26.3.2022 moderiert man Tobi Müller im Rahmen des m4music ein Panel zum Thema Algorithmen in der Popmusik – und gibt an einer Lesung einen Einblick in sein neues Buch «Play Pause Repeat». Die Teilnahme ist kostenlos.

Das Popmusikfestival des Migros-Kulturprozent findet am Freitag 25.3. und am Samstag 26.3. statt. Tickets gibt es ab Fr. 49.-.

Wie meinen Sie das?
Ich kenne dann zwar 2000 neue Bands statt 200, die eine ähnliche Musik machen. Wenn man die Musik nur als Hintergrundrauschen haben will, reicht das. Aber ich entdecke so ja nichts Neues. Und zwischendurch will man ja auch überrascht werden.

Wie viel wird bei Spotify noch von Hand gemacht?
Heute sind das etwa 40 Prozent. Dabei handelt es sich um Playlisten, wie zum Beispiel Musik für das Fitnessstudio, ein Candle-Light-Dinner und so weiter. Hinter allen anderen Listen, wie die «Dein Mix der Woche» beispielsweise, stecken Algorithmen.

Kann man den Algorithmus beeinflussen?
Alles was man bei Spotify hört oder sucht, beeinflusst den Algorithmus. Was man eingibt, kommt zurück. Man kann ihn aber nicht umcodieren oder löschen.

Ist das problematisch?
Jein. Als Archiv ist die Plattform super. Aber wenn man eine Künstlerin gefunden hat, deren Album man öfters hören will, sollte man sich die Platte oder die Datei kaufen. Nicht nur, um die Musikerin zu unterstützen. Es ist auch ökologischer. Streaming hat einen sehr grossen ökologischen Fussabdruck. Spielt man ein Album ab, benötigt das etwa 100 Megabyte. Da ist eine Platte viel nachhaltiger.

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Bild: Getty Images

Tipps von der Redaktion...

… um deine eher unbekannte Lieblingsband zu unterstützen:
Über Spotify geht das nicht wirklich. Aber du kannst auf einer anderen Plattform für den Download der Lieder bezahlen oder die die CD oder Platte kaufen. Auch ein Konzertbesuch spült Geld in die Kasse der Lieblingsband und macht zudem noch Spass.

… um den Algorithmus auf deinem Spotify-Account zu verbessern:
Spotify schlägt dir ähnliche Lieder vor, die du bereits gehört hast. Je mehr deiner Lieblingsmusik du also hörst, desto besser kennt der Algorithmus deinen Geschmack und schlägt dir ähnliche Musik vor.

… damit die Lieblingslieder der Kinder den Algorithmus nicht beeinflussen:
Richte dir einen Familien-Account ein. Dann kann jedes Familienmitglied seine eigene Musik auf dem eigenen Kanal hören.

Inwiefern nützt der Algorithmus Spotify?
Das Geschäftsmodell von Spotify und ähnlichen Plattformen besteht darin, dass man möglichst lange auf der Plattform bleibt. Die Daten, also die Information darüber, wer wann was wo hört, sind das Gold der Plattform. Diese Information verkauft Spotify weiter. Sie helfen anderen Unternehmen Werbung zu zeigen, die genau auf uns zugeschnitten ist.

Nützen diese gesammelten Daten auch den Bands?
Ja, allen Bands, die ihre Musik auf Spotify anbieten. Sie haben Zugriff zumindest auf die Geodaten, also wo die Leute welche Songs hören, und können ihre Konzerte regional anpassen. Aber hauptsächlich macht Spotify Geld damit.

Wie viel Geld bekommen Musiker und Musikerinnen für ihre Songs?
Das ist ganz unterschiedlich. Jeden Monat wird neu ausgerechnet, wer wie viel bekommt. Das Geld wird proportional zu den gehörten Songs ausbezahlt. Das heisst: Nicht die Künstler, die du streamst bekommen dein Geld, sondern die, die am meisten gehört werden. Ein Schweizer Künstler wird also nie so viel verdienen, wie zum Beispiel Taylor Swift. Das ist sehr ungerecht verteilt.

Wie geht es mit Spotify weiter?
Ich glaube, dass Musik auf der Plattform eine immer kleinere Rolle spielen wird. Spotify hat in den letzten Jahren stark auf Podcasts gesetzt. Die entscheidende Frage, die sich zurzeit stellt: Ist Spotify nur eine Plattform oder ein Verleger? Bei letzterem wäre Spotify verantwortlich für seine Inhalten und könnte zum Beispiel für rassistische Äusserungen in einem Podcast auf der Plattform zur Rechenschaft gezogen werden.

Foto/Bühne: Getty Images

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