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Insta-Filter: noch lustig oder ungesund?

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Bettina Bendiner

Erschienen

18.02.2022

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Theoretisch kennt man den Unterschied zwischen der analogen und virtuellen Welt. Doch Theorie und Praxis klaffen auseinander. Und wir merken oft zu spät, wie unsere Wahrnehmung manipuliert wird.

Am Anfang ist alles noch ein Spass. Ein Instagram-Filter hat doch noch niemandem geschadet. Plötzlich blinken herzige Öhrchen auf dem Haupthaar oder das schlecht beleuchtete Bild wird farblich etwas aufgepeppt. Easy, eigentlich.

Und doch birgt die Bildbearbeitung selbst mit den simpelsten Filtern ziemlich viel Gefahr. Denn: Kaum jemand präsentiert auf sozialen Medien sein wahres Ich bzw. die Realität mit Poren, Pickeln oder Augenringen. Facetune etwa ist eine App, die alles, was nach gängigen Schönheits- bzw. Idealvorstellungen nicht ins Bild passt, einfach wegradiert und nach gewissen Idealvorstellungen neu modelliert.

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Keine Generation hat sich so oft fotografiert wie die heutigen Jugendlichen.

Junge Frauen trifft es besonders

Manchen Menschen gelingt es, Realität von «fake» zu unterscheiden. Anderen fällt das schwerer. Zahlreiche Studien legen nahe, dass insbesondere junge Frauen sich von manipulierten Bildern im Netz verunsichern lassen.

Im Rahmen der James-Studie erforscht das Institut für angewandte Psychologie der ZHAW seit 2010 den Zusammenhang zwischen Jugend und Medien. 2020 kam dabei heraus, dass 93 Prozent der 12- bis 13-jährigen Schweizer*innen einen Instagram-Account haben. 41 Prozent der 12- bis 19-Jährigen inszenieren sich regelmässig selbst auf sozialen Netzwerken. Diese Zahlen überraschen kaum. Keine Generation hat sich so oft selbst fotografiert, wie diese.

Problematisch werden diese Zahlen erst im Kontext von weiteren Studien. So gaben schon 2016 58 Prozent der 13- bis 16-Jährigen im Rahmen einer Studie der Gesundheitsförderung Schweiz an, sich zu dünn oder zu dick zu fühlen. Zahlreiche weitere Untersuchungen legen einen starken Zusammenhang zwischen der Nutzung von Social Media und einem gestörten Körperbild nahe. «Psychosoziale Studien belegen, dass sich das Selbstwertgefühl junger Menschen in den vergangenen drei Jahrzehnten stetig verschlechtert hat», bestätigt auch Eva Saro von der Fondation Images et Société. Mitverantwortlich dafür sei insbesondere in den letzten Jahren das Schönheitsbild, das durch die Sozialen Medien geprägt wurde. Ihre Stiftung setzt sich deshalb dafür ein, vermeintliche Perfektion kritisch zu hinterfragen. «Ein Porträtfoto ist nicht einfach nur das Abbild einer Person. Weitere Komponenten wie Blickwinkel, Bildausschnitt und oftmals auch Spezialeffekte sorgen erst dafür, dass ein Bild besonders viele Likes sammelt.»

Doch warum?

Jeden Tag wird der eigene Körper aufs Neue seziert. Da gibt es das #Belfie, bei dem man den Po von hinten fotografiert, das klassische #Selfie, den #sideboob, der eine Seitenansicht eines weiblichen Torsos im Fokus hat oder den #bellybutton, der die Kamera auf die Frontalansicht des Bauches richtet. Sogenannte «Röllchen» werden dann einfach ruckzuck retouchiert. Der Unterschied zwischen fake und echt ist oft kaum mehr zu erkennen.

Das, was aber beim Posten und Teilen in der Öffentlichkeit landet, ist also meist das Resultat akribischer Bearbeitung. Im Minimum liegen dem Schnappschuss geschicktes Posing von der «guten Seite» und viele Versuche zugrunde. Im Maximum – bei Profis und professionellen Influencer*innen – professionelle Vorbereitung durch korrekte Beleuchtung, und Nachbearbeitung mit Programmen wie etwa Photoshop.

Mit dem Resultat: So wirklich real ist kaum ein Bild. Selbst wenn wir mit Hashtags wie #wokeuplikethis so tun, als ob. In der maximalen Bilderflut zwischen Realität und Manipulation zu unterscheiden, ist nicht immer leicht.

Dass perfekt manipulierte oder inszenierte Bilder der psychischen Gesundheit gerade von jungen Menschen schaden können, ist hinlänglich erforscht. Gerade bei heranwachsenden, jungen Frauen können diese manipulierten Realitäten zu Unbehagen und im Extremfall sogar zu Angst- oder Essstörungen führen. «Wir hören von Jugendlichen immer wieder, dass sie sich hässlich finden, wenn sie in den Spiegel schauen, weil sie sich daran gewohnt sind, ihr Gesicht mit einem Instagram-Filter zu sehen», erzählt Eva Saro.

Junge Menschen suchen Vorbilder. Im Vor-Social-Media-Zeitalter waren diese in der Regel im primären Beziehungsnetzwerk zu finden, in der Familie oder in der Peer-Group, teilweise in den Medien. Letztere greifen schon lange in die Trickkiste und schummeln Superstar-Beine mittels Photoshop länger oder eliminieren «Problemzonen» mit ein paar geschickten Klicks. Der Unterschied zu jetzt? Heute können es alle. Und zwar ziemlich gut.

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Das EyeSmart-Projekt schärft den Blick, um retuschierte Bilder besser zu erkennen. ©fondation images et société

Was wir tun können?

Nicht nur Kinder und Jugendliche sind anfällig auf das, was kommt, wenn virtuelle Manipulation sich plötzlich im Alltag manifestiert. Ein Unbehagen gegenüber dem eigenen Körper bis hin zur dysmorphischen Störung trifft Erwachsene oft genauso schwer. Wichtig ist: Sich mit den Möglichkeiten der Manipulation zu befassen, zu lernen, welche Techniken hinter der via Social Media promoteten Perfektion stehen können. Aus diesem Grund stellt Images et Société im Rahmen des vom Migros-Kulturprozent geförderten Projekts «EyeSmart» Eltern, Lehrpersonen und Kindern diverse Lernmaterialien zur Verfügung, mit denen der kritische Blick auf Bilder off- und online geschult werden kann. «Es ist wie beim Sport: Das braucht Übung», ist Eva Saro überzeugt.

Ausserdem müssen wir lernen, wie wir uns zu diesen Bildern positionieren. Geht im Kopf gleich ein innerer Monolog voll Selbstkritik und guten Vorsätzen los? Oder können wir uns erfolgreich distanzieren? All dies fällt uns leichter, wenn wir unser eigenes Körpergefühl fördern und nett zu uns selbst sind. Und das auch unseren Kindern vorleben.

Fotos: © GettyImage

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