Sie bringen die Migros zum Singen

«Wir singen vor Töpfen, aber wir tönen nicht wie Töpfe», wirft Léa Nour, die Leiterin der Abteilung für kulturelle und partizipative Aktionen des Genfer Kammerorchesters (OCG), fröhlich in die Runde. Der Ausdruck ist zwar amüsant, bezeichnet aber auch eine neue Realität. Denn ja, die Proben finden nunmehr in den Migros-Filialen statt, zwischen Waschmitteln und Tiefkühlkost.

«Ich wurde engagiert, um die Codes der Klassik zu dekonstruieren und diese wunderbare Musik zugänglich zu machen, indem ich losziehe und sie allen Menschen anbiete. Wir haben 18 Projekte ins Leben gerufen, darunter auch dieses: Singen im Supermarkt.»

Konkret treten vier Musikerinnen regelmässig mit einem Chor aus Migros-Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden in kleinen Konzerten auf, die klassische Musikstücke und bekannte Lieder («Les Champs-Élysées», «Stand by Me» etc.) verbinden. Nach drei Konzerten im Stadtzentrum von Genf ist nun die Migros in Versoix an der Reihe. Dieses Format, das sowohl ein künstlerisches als auch ein soziales Ziel verfolgt, indem es die Teilnehmenden miteinander verbindet, wird bis zum Sommer 2025 fortgesetzt.

«Als das OCG an uns herantrat und fragte, ob wir bereit wären, dieses Projekt mit ihm auf die Beine zu stellen, haben wir sofort zugesagt», erinnert sich Axel Roduit, der Leiter des Kulturdienstes der Migros Genf. «Unsere Aufgabe besteht darin, als Schnittstelle zwischen der OCG und den Supermarktmanagern zu fungieren, damit auf organisatorischer Ebene alles reibungslos abläuft. Wir nehmen auch an Personalversammlungen teil, um Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, im Chor mitzusingen, und veröffentlichen Poster und Flyer, um das Interesse der Kundeninnen und Kunden zu wecken. Schliesslich kümmert sich der Kulturdienst auch darum, Proberäume im Bereich der Supermärkte zu finden. Der Chor probt vier Mal, bevor er auftritt. Die Sängerinnen und Sänger haben nämlich keine Lust, mit Tomaten beworfen zu werden, auch wenn diese den Stempel Migros Bio tragen.»

Pierre Härtel, 79 Jahre, Rentner, Chorsänger

«Meine Frau, die gesehen hat, dass in dieser Migros Konzerte geplant sind, hat mich ermutigt, in diesem Chor mitzumachen. Da wir direkt nebenan wohnen, war das eine Gelegenheit, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Ich selbst kann keine Partituren lesen und singe nach Gehör. Aber es lief alles gut, und ich hatte kein Lampenfieber. Wir sind nur aus Freude dabei und wollen die Leute glücklich machen. Ich hoffe, dass wir untereinander in Kontakt bleiben werden. Ich habe übrigens alle eingeladen, nach den Konzerten bei uns ein Fondue zu essen.»

Carla Rouaud, 28 Jahre, Fagottistin

«Dieses Projekt finde ich toll. Es ist eine ausgezeichnete Idee, auf diese Weise auf die Menschen zuzugehen, und es ist eine Abwechslung zu den Konzertsälen. Man merkt, dass das Publikum sehr interessiert ist. Die Kundinnen und Kunden bleiben stehen, und einige beginnen zu singen. Mit dem Chor zu proben, war auch eine sehr positive menschliche Erfahrung. Es gibt einen echten Wunsch der Sängerinnen und Sänger, es so gut wie möglich zu machen.»

Rosa Corona, 40 Jahre, Chorsängerin und Gitarristin, Lebensmittelmanagerin im Supermarkt Les Cygnes in Genf

«Ich verpasste die erste Runde in meinem Laden, weil ich in den Ferien war. Da ich sehr enttäuscht war, meldete ich mich für Versoix an. Ich möchte dieses Projekt unterstützen, weil die Musik gute Laune bringt. Am Anfang war ich etwas angespannt, weil ich seit Jahren nicht mehr Gitarre gespielt hatte, also musste ich ziemlich viel üben. Letztendlich hat es mir viel Freude gemacht, mit meinem Kollegen Eric Giné, der im selben Geschäft wie ich arbeitet, zu singen und diese Erfahrung mit unseren Kundinnen und Kunden zu teilen. Ihr Lächeln und ihre Begeisterung zu sehen, war wirklich ein schöner Moment.»

Fotos: Nicolas Righetti