Stechende Gliederschmerzen und ein verspannter Rücken. Cyril Badertscher schrieb die Beschwerden zunächst seinen sportlichen Aktivitäten zu. Auf Drängen seiner Eltern, die besorgt waren, weil ihr Sohn zu hinken begonnen hatte, ging der Sportartikelverkäufer 2019 schliesslich zum Arzt. Die niederschmetternde Diagnose nach einer langen Reihe von Tests bei mehreren Fachärzten: Parkinson. Die Diagnose stellte mit einem Schlag all seine Projekte und Träume infrage. «Als ich die Diagnose erhielt, brach ich in Tränen aus. Zum Glück waren meine Eltern an diesem Tag bei mir. Anschliessend sprachen wir in der Familie darüber. Das half mir sehr.»
Zum Zeitpunkt der Diagnose war der Waadtländer aus Gland erst 32 Jahre alt, ungewöhnlich jung für diese unheilbare Erkrankung des Nervensystems. Normalerweise treten erste Vorboten der bekannten Symptome – Muskelzittern und -steifheit – erst viel später auf, nämlich ab einem Alter von 50 oder 60 Jahren.
Gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen geht Cyril Badertscher offen mit seiner Krankheit um, ohne den Märtyrer zu spielen. «Ich versuche ganz normal weiterzumachen und kann manchmal sogar über meine Situation lachen. Ich muss lernen, mit der Krankheit zu leben und sie zu akzeptieren, statt gegen sie anzukämpfen.» Im Umgang mit seinen Kunden zeigt er dieselbe Einstellung. «Meinen Stammkunden ist aufgefallen, dass ich mich verändert habe, also habe ich sie eingeweiht. Mit den anderen Kunden gehe ich ganz normal um. Damit, dass ich manchmal fragende oder mitunter sogar spöttische Blicke ernte, kann und muss ich leben.»
Viel Mitgefühl erfahren
Seine Vorgesetzten informierte der Verkaufsmitarbeiter der SportXX-Filiale von Nyon-La Combe jedoch umgehend. «Meine Chefin hat mir viel Aufmerksamkeit geschenkt und sehr viel Mitgefühl gezeigt», erinnert sich Cyril Badertscher. Sie leitete schnell alle nötigen administrativen Schritte in die Wege, damit die Invalidenversicherung seinen Fall bearbeiten konnte. Gemeinsam haben die beiden Arbeitspensum und -zeiten definiert, die für ihn am besten waren. Badertscher reduzierte seine Stunden zunächst von 100 auf 50 Prozent. Anschliessend versuchte er ein paar Monate, wieder auf 70 Prozent zu erhöhen, doch dies ermüdete ihn zu sehr. Heute arbeitet er jeden Nachmittag. «Ich möchte meine Stunden nicht weiter reduzieren. Das wäre nicht gut für meine Moral. Ich habe eine Lehre bei der Migros gemacht und schon immer für die Migros gearbeitet. Ich kann mir nicht vorstellen aufzuhören», sagt er.
Gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen geht Cyril Badertscher offen mit seiner Krankheit um, ohne den Märtyrer zu spielen. «Ich versuche ganz normal weiterzumachen und kann manchmal sogar über meine Situation lachen. Ich muss lernen, mit der Krankheit zu leben und sie zu akzeptieren, statt gegen sie anzukämpfen.» Im Umgang mit seinen Kunden zeigt er dieselbe Einstellung. «Meinen Stammkunden ist aufgefallen, dass ich mich verändert habe, also habe ich sie eingeweiht. Mit den anderen Kunden gehe ich ganz normal um. Damit, dass ich manchmal fragende oder mitunter sogar spöttische Blicke ernte, kann und muss ich leben.»
Ich möchte meine Krankheit nutzen, um auch mir selbst zu beweisen, dass ich fast ganz normal weiterleben kann, obwohl sich mein Leben verändert hat.
Cyril Badertscher
Den Genfersee überqueren
Sicher hat sich Badertscher nicht gehen lassen, er ist weiterhin hochmotiviert. Auch in seiner Freizeit bleibt er aktiv und geht weiter seinen Hobbys nach. Vor allem ist er seinem Schwimmverein Global Masters Aquanuts treu geblieben.
Hier trainiert er häufig zusammen mit Laurent Thévenaz, einem Wachtmeister der Genfer Kantonspolizei. «Als wegen der Coronapandemie die Schwimmbäder schliessen mussten, haben wir beschlossen, im See zu schwimmen. So haben wir uns besser kennengelernt.» Als sie eines Tags im Juni wieder einmal das Ufer erreichten, schlug Thévenaz, früher Teilnehmer an vielen Schwimmwettbewerben und Triathlons, vor, zusammen über den Genfersee zu schwimmen. «Ich habe nicht lange gezögert und sofort zugesagt», erinnert sich der heute 34-jährige Badertscher. Nach zehn Minuten standen die Details fest: Vom französischen Nernier sollte es nach Nyon gehen. Die Strecke ist insgesamt fünf Kilometer lang. Sie nahmen sich keine Zeit vor – in erster Linie wollten sie Spass haben. «Ich möchte meine Krankheit nutzen, um auch mir selbst zu beweisen, dass ich fast ganz normal weiterleben kann, obwohl sich mein Leben verändert hat.»
Vor der erfolgreichen Seeüberquerung am 9. September trainierte Badertscher zwei- bis dreimal pro Woche im Schwimmbad oder im See, je nach Wetter. An seiner Seite schwamm neben Thévenaz noch ein Schwimmkollege, um ihn zu unterstützen und zu motivieren.Cyril Badertscher sei die Herausforderung gelassen, aber zugleich fast schon «euphorisch» angegangen, erinnert sich Laurent Thévenaz. Er habe es kaum erwarten können, es mit dem Genfersee aufzunehmen, obwohl er noch nie zuvor eine so lange Strecke geschwommen sei. «Im Wasser fühle ich mich wohl. Es trägt mich und lindert meine Schmerzen. Ich leide viel mehr, wenn ich untätig auf einem Stuhl sitze», sagt Badertscher.
Im Wasser fühle ich mich wohl. Es trägt mich und lindert meine Schmerzen.
Cyril Badertscher
Dopamin lindert Schmerzen
Ausserdem produziert der Körper beim Sport den Neurotransmitter Dopamin, an dem es bei Personen, die an Parkinson leiden, ansonsten erheblich mangelt. Deshalb ist Bewegung für die Betroffenen besonders wichtig, um die Schmerzen zu lindern und zu vergessen, wenn auch nur für einen Moment.
Badertscher hat denn auch bereits neue Pläne gefasst. Im folgenden Jahr will er mit seinen Begleitern gleich von Genf nach Nyon schwimmen. Das sind 20 Kilometer.
Parkinson Move
Cyril Badertscher hat neben seinen sportlichen Projekten den Verein «Parkinson Move» ins Leben gerufen. Ziel ist es, an Parkinson erkrankte Menschen zum Sport zu animieren und sie bei den Aktivitäten zu unterstützen. Zudem will Badertscher mit dem Verein Geld sammeln, das der Erforschung der Krankheit zugutekommen soll.
Foto/Bühne: ©Joël Fischer
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