Ungewöhnliche Nachbarn: Tür an Tür mit der Konkurrenz
Erschienen
15.09.2022
An der Place de la Sallaz in Lausanne liegen Migros und Coop direkt nebeneinander. Wir haben diese für die Schweiz einzigartige Adresse besucht.
Auf den ersten Blick glaubt man, dass man sich verguckt hat. An der Vorderseite des Geschäftshauses an der Place de la Sallaz in Lausanne berührt das Migros-Schild das Coop-Schild. Seit der Renovation des Platzes im Jahr 2016 kleben die beiden grossen orangefarbenen Marken über der Glastür aneinander – wie Zwillinge.
Die gleiche Eingangshalle, die gleiche Rolltreppe hinunter ins Untergeschoss, wo sich die Wege der Migros- und Coop-Kunden plötzlich trennen und Erstere nach rechts, Zweitere nach links abbiegen.
Eine besondere Situation, die in der Schweiz einzigartig ist und an die sich Frédéric Burri und Caroline Piotuch längst gewohnt haben. «Am Anfang waren es wirklich zwei getrennte Welten, aber heute haben wir regelmässig Kontakt. Ich mag die Beziehung und den Austausch», sagt Burri, seit drei Jahren Geschäftsführer der Migros-Filiale. «Wir kommen gut miteinander aus und trinken gern Kaffee zusammen, wenn es sich ergibt.»
«Es ist eine gute Nachbarschaft», ergänzt Caroline Piotuch, die seit 2018 die Coop-Filiale leitet. Das gute Einvernehmen zwischen den beiden ist offensichtlich und die gute Laune spürbar.
Wenn man sich gegenübersitzt, sieht man, was der andere auf die Beine stellt.
Frédéric Burri, Geschäftsführer der Migros Filiale
Bevor der 42-jährige Burri nach Lausanne wechselte, arbeitete er mehrere Jahre in Vallorbe VD und Payerne VD. Von dort hat er die Nähe zum Kunden, den Dorfgeist mit Sinn für gegenseitige Hilfe und Solidarität mitgebracht. «Er ist sehr hilfsbereit. Wenn es ein Problem gibt, kommt er sofort und hilft», bestätigt Piotuch (52).
Ohne billige Tricks, sondern mit echter Unterstützung. So jagen die beiden schon mal gemeinsam Ladendieben hinterher.
Konkurrenz belebt Geschäft
Keine Konkurrenz? «Doch, natürlich, vor allem ergänzen wir uns aber», sagen die beiden im Chor. Die gleiche Etage zu teilen, hat Vorteile: «Wenn man sich gegenübersitzt, sieht man, was der andere auf die Beine stellt», sagt Frédéric Burri. «Wenn es bei Coop Aktionen gibt, zieht das Kunden an. Die kommen dann auch zu uns.» Wer schaut schon nicht gern mal bei der Nachbarin vorbei, um Angebote und Neuheiten auszukundschaften?
Die beiden Filialen teilen sich die Toilette und die Einkaufswagen, an denen die beiden Logos nebeneinander am Griff kleben. Nicht aber die Einkaufskörbe. Die Eingänge liegen sich gegenüber, nur wenige Meter voneinander entfernt, bei jedem ein Blumenstand, hier mit Saisonblumen, dort mit Orchideen und anderen kleinen Kakteen. Vis-à-vis voneinander befinden sich auch die Regale mit frischem Obst und Gemüse. Sie scheinen sich aus den Augenwinkeln zu betrachten.
Wenn es ein Problem gibt, kommt Frédéric sofort und hilft.
Caroline Piotuch, Leiterin der Coop-Filiale
Das Nebeneinander führt zuweilen zu lustigen Situationen. «An manchen Morgen machen sich die Angestellten beider Filialen einen Spass daraus, wer die Regale als Erste eingeräumt hat», lacht Burri.
Klare Grenzen
Im Alltag kommt es bekanntlich vor, dass Enge zu Streitigkeiten führt, dass ein Mieter aufdringlicher ist als der andere, in den Nachbargarten eindringt oder mit Stilettos über den Parkettboden klackert. Hier, an der Place de la Sallaz, ist alles geregelt, jeder hat seine eigene Fläche (790 Quadratmeter für die Migros, 971 für Coop), und in den gemeinsam genutzten Räumen gibt es klare Grenzen. Coop musste einige Plakate entfernen, und die Migros konnte ihre PickMup-Box nicht am unteren Ende der Rolltreppe aufstellen.
Doch ansonsten klappt die Nachbarschaft der beiden orangen Riesen tadellos. Frédéric Burri und Caroline Piotuch geben gar gern zu, dass sie manchmal beim anderen einkaufen gehen.
Fotos: Niels Ackermann
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