Die Zukunft der Schweiz sieht düster aus: Ein reicher Käsefabrikant hat alle Macht an sich gerissen. Nur eine junge Frau aus den Bergen wehrt sich gegen den Tyrannen. Es kommt zu wüsten Kämpfen, bei denen Blut spritzt und reihenweise Köpfe rollen.
Unter dem Titel «Mad Heidi» verfilmt Regisseur Johannes Hartmann zurzeit in der Region Bern diese schräge Geschichte. Sein Werk soll ein wilder Mix aus Klamauk, Folklore und Gewaltorgie werden. Es ist das seltene Beispiel eines Schweizer Horrorfilms.
Normalerweise erzählen Filmschaffende hierzulande ganz andere Geschichten. Sie drehen zum Beispiel familientaugliche Komödien oder ernsthafte Arthouse-Filme. Dabei hätten wir viele Schauplätze mit Horrorpotential: einsame Bergtäler, düstere Burgruinen und verlassene Bunker. Ganz zu schweigen von den Gletscherspalten, aus denen sich plötzlich eine eiskalte Hand recken könnte.
Horrorfilme lassen sich auch ohne Stars und ohne grosses Budget drehen. «Warum es in der Schweiz trotzdem kaum jemand versucht, kann man nicht so leicht erklären», sagt Kinoexpertin Nadine Adler Spiegel vom Migros-Kulturprozent. «Vielleicht hat es mit der Vergangenheit der Filmschulen zu tun. Bis in die 80er-Jahre hielt man dort wenig von Horrorfilmen, man fand solche Werke unpolitisch und anspruchslos. Das hat wohl dazu beigetragen, dass sich in der Schweiz keine Genretradition etablieren konnte.»
Adler Spiegel leitet beim Kulturprozent das Story Lab, das Filmschaffenden beim Entwickeln von Projekten hilft. «Inzwischen werden viele Ideen eingereicht, die auch in Richtung Genrekino gehen», sagt sie. «Es gibt bei jungen Regisseurinnen und Regisseuren zum Beispiel ein grosses Interesse an Science-fiction, das sich seit Beginn der Pandemie noch verstärkt hat. Es kann gut sein, dass von diesem Trend künftig auch das Horrorgenre profitiert.»
Das Rezept für Horror
In Gruselfilmen kommen oft Motive vor, die man aus früheren Streifen kennt. «Die Fans schätzen solch vertraute Elemente», erklärt Adler Spiegel. «Sie fühlen sich im Film dann sofort zuhause und können ihn darum noch mehr geniessen.» Die folgenden fünf Zutaten haben sich besonders bewährt.
1) Ein unzerstörbares Monster:
Der Film ist fast zu Ende, das Ungeheuer liegt scheinbar tot am Boden – doch dann erwacht es plötzlich wieder zum Leben. Dieser Schock sitzt immer. Und er bietet auch gleich den Anknüpfpunkt für eine Fortsetzung. Das Paradebeispiel ist der maskierte Serienkiller Michael Myers, der gerade im neuen Kinofilm «Halloween Kills» zu sehen ist. Er hat schon in zwölf früheren Filmen sein Unwesen getrieben.
2) Technik, die sich selbstständig macht:
Im Klassiker «Christine» (1983) war es noch ein verfluchtes Auto, das nachts ohne Fahrer durch die Stadt rollte und Leute überfuhr. In heutigen Filmen wenden sich Computer gegen ihre Nutzer, und Soziale Netzwerke sorgen für Grauen. In «Friend Request» (2016) akzeptiert zum Beispiel eine junge Frau auf Facebook eine Freundschaftsanfrage und merkt dann, dass sie sich mit einer Hexe eingelassen hat.
3) Alte Sachen sind unheimlich:
Verwitterte Häuser, alte Puppen oder vergilbte Fotoalben sind in Horrorfilmen oft verflucht. Sie wirken fremdartig, aus der Zeit gefallen und erinnern uns irgendwie an unsere eigene Vergänglichkeit.
4) Clowns können nie schaden:
Seit Stephen Kings Bestseller «It» (1986) sind die weiss geschminkten Spassmacher bewährte Horrorfiguren. Wenn ihr Klamauk plötzlich in Gewalt umschlägt, ist das immer wieder wirkungsvoll.
5) Aktuelle Angst als beste Zutat:
Horrorfilme sind oft ein Spiegel ihrer Zeit; sie fangen etwas ein, wovor sich gerade viele Leute fürchten. Besonders gut ist das im Netflix-Hit «Squid Game» gelungen: Verarmte Menschen müssen in dieser Serie auf einer einsamen Insel blutige Spiele austragen. Am Ende überlebt nur einer, der mit dem Preisgeld seine Schulden tilgen kann. Der verschärfte Konkurrenzkampf bei der Arbeit, den heute viele erleben, wird hier zum grellen Alptraum.
Foto/Bühne: ©Netflix/Courtesy Everett Collection
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