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Die beste Waffe gegen Hass? Empathie!

Text

Marlies Seifert

Erschienen

04.02.2022

Frau mit traurigem, verletztem Gesichtsausdruck vor Laptop

Reagieren ist besser als Nichtstun. Acht Tipps, wie man mit diskriminierenden und beleidigenden Kommentaren im Netz umgeht.

Aus dem Weg gehen kann man ihr kaum: Hassrede ist überall im Netz. Kommentarspalten, Feeds und Foren sind voll damit. Aber wie reagiert man, wenn andere diskriminiert werden – und was tun, wenn man selbst von Beleidigungen betroffen ist? In Zusammenhang mit dem Pionierfonds-Projekt «Stop hate Speech» wollten es Forschende der ETH und Uni Zürich genauer wissen und führten eine Studie durch. «Wir haben herausgefunden, dass das beste Gegenmittel Empathie ist», sagt Co-Projektleiterin Sophie Achermann. Appelliert man an das Mitgefühl von Hassrednern, stehen die Chancen am besten, dass sie ihre beleidigenden Kommentare wieder löschen. «Mit Humor oder mahnenden Worten hingegen bewirkt man wenig», so Achermann. Aber was heisst das konkret – und mit welchen anderen Strategien kann man Hassrednern den Wind aus den Segeln nehmen? 8 Tipps von der Expertin.
 

1) Ansprechen: Reagiere auf einen abwertenden Post und benenne die Hassrede als solche. Es braucht gar nicht viel. Sage zum Beispiel so etwas wie: «Was du schreibst, ist für viele Personen verletzend» oder «Mit dieser Aussage beleidigst du Menschen, die mir nahestehen». Auch wenn es Energie und Nerven braucht: «Etwas zu sagen, ist immer besser, als sich aufzuregen und zu schweigen», sagt Sophie Achermann. Es sei wichtig aufzuzeigen, dass es auch andere Meinungen zu dem Thema gibt. «Wir möchten die Menschen ermutigen, im Netz so viel Zivilcourage zu zeigen wie offline.» Übernimm eine Vorbildfunktion!

2) Disliken/Downvoten: Besser als gar nichts. Wenn du den Mut zur Gegenrede nicht aufbringst, dann kannst du doch immerhin den Daumen nach unten drücken oder deine Meinung anders zum Ausdruck bringen. Viele Online-Medienportale bieten diese Funktion an. «Auch so erhalten die Hassredner ein direktes Feedback und sehen, dass ihre Aussagen nicht einfach toleriert werden», sagt Achermann.

Frau schreit in Megaphon

Was ist Hate Spech?

Nicht jede Beleidigung im Netz ist Hate Speech. Hassrede richtet sich immer gegen eine bestimmte Personengruppe. Diese kann definiert werden über Herkunft, Nationalität, sozialen Status, sexuelle Orientierung oder Politische Gesinnung. Rassistische, antisemitische oder homophobe Hassrede verstösst in der Schweiz gegen das Diskriminierungsgesetz. Beleidigungen oder Drohungen anderer Art werden als «Toxische Sprache» bezeichnet und können ebenfalls angezeigt werden.

3) Mitgefühl erzeugen: Nun kommen wir zu dem Punkt mit der Empathie. «Damit ist nicht gemeint, dass wir Verständnis für Hassredner*innen zeigen», erklärt Achermann. «Vielmehr versuchen wir, das Mitgefühl der Hassredner*innen zu wecken». Hier gehst du schon etwas weiter und benennst die Hassrede nicht nur, du sprichst Hassredner*innen an. Zum Beispiel so: «Wie würdest du dich fühlen, wenn Leute so über dich sprechen würden?» oder: «Denk mal darüber nach, wie es dir gehen würde, wenn dich jemand so beschimpfen würde».

4) Perspektivenwechsel anregen: Mit dieser Form der aktiven Gegenrede (oder auch: Counter Speech) bringst du das Gegenüber dazu, über sein Handeln nachzudenken, ohne dass es sich selbst in die Lage der Opfer versetzen muss. Sätze, die du dazu verwenden kannst: «Wenn x (zum Beispiel: homosexuelle/schwarze/muslimische) Freunde von mir solche Posts sehen, macht es sie jedes Mal traurig». Oder: «Du kennst doch bestimmt auch x (zum Beispiel: homosexuelle/schwarze/muslimische) Menschen. Was meinst du, wie sie sich fühlen, wenn sie so einen Post lesen?».

Ein Mann diskutiert mir einem anderen.

Manchmal kommt man auch online mit Argumenten weiter.

5) Melden: Dies gilt insbesondere bei Hassredner*innen mit einer grossen Gefolgschaft, zum Beispiel Politiker*innen oder andere öffentliche Personen. Hier gilt der Grundsatz: «Don’t feed the troll», also: Biete dem Gegenüber keine zusätzliche Bühne. «Hier lohnt es sich allenfalls, auf Kommentarebene Follower der Person direkt anzusprechen», so Achermann. Die Hassredner*innen selbst würden ihre Meinung aber kaum ändern. Deshalb die Hassrede am besten beim jeweiligen Plattformbetreiber melden. So stehen die Chancen am besten, dass die verletzende Aussage entfernt wird.

6) Mit Fakten argumentieren: Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn du eine gewisse Expertise auf einem Gebiet vorweisen kannst und Fakten parat hast. «Sonst ist es sehr schwierig, genügend schnell zu reagieren», so Achermann. Alternativ könne man die Faktenlage des Gegenübers hinterfragen und um die Angabe von Quellen bitten. Selbst wenn man Expert*in auf einem bestimmten Gebiet ist: «Ab einem gewissen Punkt kann man meistens nicht mehr rational argumentieren». Einen Versuch wert sei es aber allemal.

7) Beweise sammeln: Rassistischen oder homophoben Hate Spech kann jede und jeder anzeigen – unabhängig davon, ob man selbst davon betroffen ist oder die Hassrede als Beobachter*in wahrgenommen hat. In diesem Fall lautet das Vorgehen: Screenshots machen und die Polizei kontaktieren. Achtung: Für sexistischen Hate Speech gilt diese Regelung nicht. Dieser fällt nicht unter die Antirassismus-Strafnorm. «Hier greift das Gesetz unserer Meinung nach zu kurz», sagt Sophie Achermann. 

8) Hilfe holen: Ist man selbst von Beschimpfungen und Beleidigungen betroffen: Alle Beweise sichern und die diffamierenden Posts danach löschen. Lass dies am besten von einem Freund oder einer Freundin machen und gib deine Social-Media-Konten als erste Massnahme an jemand anderen ab. «Denn einen selbst treffen solche Worte viel härter als andere», so Sophie Achermann. Setze dich in Verbindung mit einer spezialisierten Beratungsstelle (zum Beispiel mit der LGBTI-Helpline oder Netzcourage) und ziehe eine Anzeige in Erwägung.

Fotos: GettyImages

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