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Freundschaften

Wie umgehen mit seelischen Blutsaugern?

Wenn Freundschaften auslaugen statt stärken, sollte man handeln. Wir beschreiben die Alarmsignale einer toxischen Freundschaft und was du unternehmen kannst.

Von
Ralf Kaminski (Text) / Getty Images (Bild)
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Im Idealfall bereichert eine gute Freundschaft das eigene Leben. Man tauscht sich aus über Freud und Leid, wird gestützt bei eigenen Problemen und hilft ganz selbstverständlich bei denen des Freundes oder der Freundin.

Doch so läuft es nicht immer. Manchmal entwickeln sich Freundschaften in eine problematische Richtung. Man gibt mehr, als man bekommt, alles dreht sich immer nur um die andere Person, die erwartet, dass man jederzeit zur Verfügung steht, sich selbst jedoch kaum interessiert. Die sich auch nicht mit einem freut, wenn etwas Gutes passiert ist, sondern mit Neid oder Eifersucht reagiert. All das sind Merkmale einer toxischen Freundschaft. Und die könne längerfristig sogar die eigene Gesundheit gefährden, sagt Roger Staub (64), Geschäftsleiter von Pro Mente Sana. «Wenn die Beziehung vor allem belastet und einem jedes Mal nur Energie raubt, sollte man etwas unternehmen.»

Weitere typische Merkmale solcher «seelischen Blutsauger»: Rücksichtslosigkeit (sie machen, was sie wollen, halten Versprechen nicht ein, reagieren auf Nachrichten nicht – und das immer ohne Entschuldigung), andere Leute sind wichtiger (an einer Party kümmern sie sich um die, nicht um dich), Beleidigungen (sie stellen dich vor anderen Leuten bloss), Manipulation (sie versuchen, um jeden Preis ihren Willen zu bekommen, notfalls auch mit Lügen).

Manche Freundschaften entwickeln sich erst mit der Zeit in diese Richtung, aber mit gewissen Menschen ist es fast immer so. «Von sehr narzisstischen oder egoistischen Leuten, die andere nur als Dekoration fürs eigene Leben brauchen, hält man sich am besten von Anfang an fern», rät Staub. Dies sei bei den meisten ausgeglichen Menschen aber auch ein natürlicher Reflex. Andere, die selbst bedürftig seien oder sich schnell allein fühlten, akzeptierten eine solche Unausgeglichenheit eher, auch aus Angst, sonst vielleicht gar niemanden mehr zu haben.

Was aber tun, wenn man das Problem erkannt hat und etwas verändern will? «Wenn einem die Freundschaft wichtig ist, sollte man dies zuerst mal offen ansprechen und schauen, wie die Reaktion ist», sagt Staub. Stosse man auf Verständnis könne man versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden, um wieder ein besseres Gleichgewicht herzustellen. Hilft das jedoch nicht, und man möchte die Freundschaft dennoch retten, rät er, professionelle Unterstützung zu suchen. «Wie bei einer Paarberatung. Wenn einem die Beziehung wichtig ist, lohnt sich diese Investition. Denn neue gute Freunde zu finden, ist nicht leicht.»

Scheiterten jedoch alle Versuche zur Besserung der Lage, gebe es nur eins: die Freundschaft beenden. «Entweder diskret, in dem man sich länger nicht meldet und immer seltener auf Treffen einlässt, oder besser: sofort, offen und mit einem persönlichen Gespräch.» Dies könne auch per Telefon passieren oder mit einem Brief. «Am besten macht man es so, wie man es selbst gerne hätte, wenn einem sowas passiert.»

Und wenn man selbst der toxische Freund ist und sich bessern möchte? Staub rät zu einer psychologischen Kurzzeitberatung. «Dabei kann man reflektieren, was passiert ist und Wege zur Besserung entwickeln. Wer sowas offen angeht, kann damit sein ganzes Leben positiv verändern.»

TOXIC

T steht für «tiring» (ermüdend), da eine toxische Freundschaft kräftezehrend sein kann.

O steht für «obstructive» (hinderlich), da sie oft deine persönliche Entwicklung behindert.

X steht für «eXhausting» (erschöpfend), da toxische Freund*innen dich mit ihrer Unzuverlässigkeit und ihren Forderungen ermüden, aber gleichzeitig nichts zurückgeben.

I steht für «intimidation» (Einschüchterung), da solche Freund*innen dich kritisieren und dir das Gefühl vermitteln, nicht gut genug zu sein.

C steht für «conditional» (bedingt), da sie oft Bedingungen für ihre Zuneigung schaffen, die auf ihren eigenen Bedürfnissen basieren.

Mehr Tipps für deine psychische Gesundheit findest du bei iMpuls oder bei Pro Mente Sana. Die Stiftung wird unterstützt vom Migros-Kulturprozent.

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