Was tun, wenn dein Kind Hass-Rap hört?
Erschienen
16.02.2023

Jugendliche lieben Hits von Capital Bra und anderen Rappern. Die oft sexistischen Texte und Videos lassen Eltern aber die Haare zu Berge stehen. Wie soll man reagieren?
Erst gerade tönten noch die Schliermer Chind aus dem Kinderzimmer, nun hämmern täglich Rapsongs durch die verschlossene Teenie-Zimmertür. Die Jugendlichen stehen auf den rhythmischen Sprechgesang. Ihre Eltern hingegen weniger, denn allzu oft enthalten die Texte frauenverachtende, bisweilen sogar zur Gewalt aufrufende Songzeilen.

Rapper Capital Bra
Beispiel gefällig? «Scheiß mal auf dein'n Beauty-Dreck, sie sagt, dass es unter meinem Gürtel schmeckt (…) Du fühlst dich cool mit deinem Louis-Koffer, du bist 'ne richtige Hurentochter.» Die Zeilen stammen von Capital Bra, meistgestreamter Musiker auf Spotify Deutschland im Jahr 2020 und auch bei Schweizer Jugendlichen enorm beliebt.
Capital Bra gehört im Deutschrap bezüglich Sexismus noch zur harmloseren Sorte. Vielen Erwachsenen geht er mit solchen Zeilen trotzdem zu weit. Doch wie soll man als Eltern reagieren, wenn der Nachwuchs seine Songs in Endlosschlaufe hört oder gar nachrappt?
Vorwurfsloses Ansprechen
Ingrid Broger, Fachperson Medienkompetenz bei Pro Juventute, empfiehlt, das Thema Sexismus ohne Vorwürfe anzusprechen: «Am besten fragt man das Kind zuerst, was denn solche Songzeilen seiner Meinung nach bedeuten.»
Oft ist dem Nachwuchs nämlich gar nicht bewusst, was in seinem Lieblingssong genau gesagt wird. Danach erst solle man als Eltern erläutern, was die Worte bei einem selbst auslösen. «Sagen Sie als Mutter ganz klar: «Ich als Frau finde die Aussage herabsetzend. Es bedeutet für mich, dass Frauen sexualisiert werden», sagt Broger.
Verbote schwächen Beziehung
Gut möglich, dass der Nachwuchs im ersten Moment genervt die Augen verdreht. Führen Sie das Gespräch dennoch sachlich weiter und drohen Sie nicht gleich Strafen an, sollte der Teenager jemals wieder solche Ausdrücke benutzen. «Solche Verbote können die Beziehung zum Kind schwächen», sagt Broger.
«Besser, man hört dem Kind in Ruhe zu, legt seinen Standpunkt dar und bittet den Sohn oder die Tochter danach, keine herabsetzenden und beleidigenden Ausdrücke zu verwenden.» Wichtig findet die Expertin auch, den Nachwuchs darüber aufzuklären, dass beleidigende Begriffe strafrechtliche Konsequenzen haben können.
Bedeutung in Jugendsprache oft anders
Umgekehrt ist auch auf Seite der Eltern manchmal Aufklärung nötig. Während das in Rapsongs regelmässig benutzte «Bitch» früher noch ein übles Schimpfwort war, hat es in der heutigen Jugendsprache eine viel harmlosere Bedeutung und wird sogar scherzhaft unter Freundinnen verwendet. Ist einem das als Eltern bewusst, kann man etwas entspannter mit dem Slang des Nachwuchses umgehen.
«Dennoch kann es nicht schaden, den Teenager auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes hinzuweisen», sagt Broger. Schliesslich beeinflusst die Sprache unser Denken – und wie wir denken wiederum unser Verhalten.
Wieso wird frau so dargestellt?
A propos Verhalten: Die Videoclips zu den Songs stehen den Texten in Sachen Sexismus in nichts nach. Die Rapper inszenieren sich darin gerne als krasse Gangster, die sich mit leichtbekleideten Frauen umgeben. Indem die Kamera stets auf Brüste und Hintern zoomt, wird die Frau auf ihren Körper reduziert. «Solche Darstellungen können die Jugendlichen durchaus beeinflussen», sagt Ingrid Broger.
Deshalb ist es umso wichtiger, sich als Eltern dafür zu interessieren, was Tochter und Sohn online konsumieren und immer wieder das Gespräch zu suchen. Offene Fragen vereinfachen den Austausch: «Fragen Sie ganz generell, weshalb Männer und Frauen wohl so dargestellt werden. In Musik-Videos oder auch in der Werbung und den sozialen Medien, denn Sexismus beschränkt sich ja keineswegs auf den Rap», sagt die Expertin.
Kommt das Gespräch nicht richtig in Fluss, können Sie auch ein Spiel daraus machen: «Meine damals 12-jährige Tochter und ich haben eine Art Wettbewerb veranstaltet, wer von uns unrealistische Darstellungen als Erste erkennt», erzählt Ingrid Broger. «Dadurch ist uns beispielsweise aufgefallen, dass Frauen in Fernsehserien beim Aufwachen im Bett fast immer geschminkt und frisiert sind.» Und die Männer? Finde es selbst heraus, gemeinsam mit dem Nachwuchs!
Fotos: Getty Images
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