«Kinder, ich habe mich verliebt»
Erschienen
31.10.2023

Wer nach einer Trennung dem Nachwuchs den neuen Partner oder die neue Partnerin vorstellen möchte, sollte mit viel Rücksicht vorgehen. Antworten auf die 7 drängendsten Fragen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt den neuen Partner, die neue Partnerin vorzustellen?
Idealerweise dann, wenn die Trennung von allen Beteiligten gut verarbeitet wurde. Sobald die Kinder das Gefühl haben «die neue Familienkonstellation ist stabil, meine Eltern haben einen Umgang miteinander, den ich einordnen kann», sagt Familientherapeutin Monique Wahlen.
Treffen diese Dinge zu, betrachte der Nachwuchs neue Personen eher positiv und als Ergänzung. Stehen hingegen noch viele Konflikte im Raum, sehen Kinder neue Partner und Partnerinnen eher als Bedrohung. Oft gerät der Nachwuchs dann in einen Loyalitätskonflikt und hat das Gefühl, die neue Person nicht toll finden zu dürfen – so lange das andere Elternteil die Trennung noch nicht verarbeitet hat. Kurz: Die Trennungsgeschichte beeinflusst eine neue Beziehung extrem.
In der Realität dauert es oft lange, bis getrennte Eltern eine gute Basis miteinander finden. Manche kommen auch nie an diesen Punkt. Wie sollte man in diesem Fall vorgehen?
Ist die Trennungsgeschichte noch nicht aufgearbeitet, sollten sich Eltern zumindest bewusst sein, dass Konflikte entstehen können. Ein guter Zeitpunkt, um neue Partner vorzustellen: Wenn sich Erwachsene in ihrer Beziehung sicher sind und Potenzial für die Zukunft sehen.
«In der Praxis geschieht dies allerdings oft zu schnell», erlebt Paar- und Familienberaterin Monique Wahlen. «Was verständlich ist, schliesslich haben wir alle Bilder einer tollen Hollywood-Familie im Kopf und wollen dies schnell umgesetzt sehen – vor allem nach einer Trennung.» Gerade neue Paare in Patchworkkonstellationen binden oft schon nach wenigen Wochen die Kinder mit ein. Hier plädiert Wahlen dafür, sich mehr Zeit zu lassen und sich zunächst als Paar besser kennen zu lernen.
Welche Rolle spielt das Alter der Kinder?
Eine grosse! Kleine Kinder, die noch keine Vorstellung von einer Paarbeziehung haben, akzeptieren eine neue Person an der Seite ihres Elternteils eher. Ältere Kinder hingegen tun sich oft schwer damit: Weil sie nicht wollen, dass Mutter oder Vater von jemandem ersetzt wird. Oder weil sie eifersüchtig sind und befürchten, die neue Person könnte ihnen das Elternteil wegnehmen.
Mit diesen Tipps gelingt die neue Familienkonstellation
- Geduld haben und Tempo rausnehmen. Es braucht Zeit, bis sich alle aneinander gewöhnt haben. Akzeptieren, dass es am Anfang schwierig sein kann.
- Lebt man bereits in der neuen Konstellation zusammen und die Kinder haben ein gewisses Alter (ca. 7 Jahre und älter): Sich alle paar Wochen zum Familienrat zusammensetzen. Hier kann man sich austauschen, was funktioniert und was nicht und alle dürfen sich einbringen.
- Als Elternteil trotz neuem Partner oder neuer Partnerin immer mal wieder Zeit alleine mit dem Nachwuchs verbringen. So haben die Kinder Mami oder Papi auch mal ganz für sich.
- Eventuell externe Unterstützung holen: Fachpersonen gehen mit dem Paar oder der Familie die individuelle Situation aus einer erweiterten Perspektive an.
Wie läuft ein erstes Zusammentreffen idealerweise ab?
Am besten findet dieses nicht zu Hause statt, sondern auf neutralem Boden, bei einer Aktivität, die den Kindern Spass macht, rät Wahlen. Irgendwann könnte die neue Partnerin dann zum Znacht kommen; in einem späteren Schritt auch übernachten. Schlüpfen die Kinder beim Elternteil häufig ins Bett, gelte es vorher zu klären: Will das Paar dies? Will das Kind dies? Ist der Nachwuchs nicht mehr so jung, könnte man auch fragen, wie er zu einer Übernachtung steht – «dabei nicht um Erlaubnis fragen», betont Wahlen, «aber die Meinung des Kindes abholen.»
Und wenn der Nachwuchs die neue Partnerin ablehnt?
Dem Kind Zeit geben und in Beziehungsaufbau investieren: Nach Gemeinsamkeiten zwischen neuer Partnerin und Nachwuchs suchen, gemeinsam spielen, damit das Kind realisiert: «Es kann auch Spass machen, wenn die Person da ist!» Bei Teenagern darf ruhig auf Augenhöhe diskutiert werden, im Sinne von: «Ich habe diese Frau wirklich gerne, es geht mir gut, wenn wir zusammen sind.»
Stört es mich, wenn mein Mitbewohner (hier: das Kind) sein Geschirr nicht wegräumt, darf ich das sagen. Dinge jedoch, die Richtung Wertvorstellungen und Erziehung gehen, bleiben dem Elternteil überlassen.
Monique Wahlen
Wie sollte sich ein neuer Partner punkto Erziehung verhalten?
«So wenig wie möglich einmischen», rät Familienberaterin Wahlen. Der neue Partner ist nicht der Vater, die neue Partnerin nicht die Mutter. In Erziehungsfragen haben diese deshalb fast nichts zu sagen. Dinge, die beim Zusammenleben auftauchen, dürften sie aber sehr wohl ansprechen. «Das ist wie in einer WG», vergleicht Wahlen. «Stört es mich, wenn mein Mitbewohner (hier: das Kind) sein Geschirr nicht wegräumt, darf ich das sagen. Dinge jedoch, die Richtung Wertvorstellungen und Erziehung gehen, bleiben dem Elternteil überlassen.»
Worauf gilt es beim Zusammenziehen zu achten?
«Liegt es finanziell drin, würde ich als neue Partnerin eine kleine Wohnung als Rückzugsort behalten», so Wahlen. Paare sollten sich ehrlich fragen: Können wir es uns wirklich vorstellen, zusammen zu leben? Vor allem für diejenigen, die neu in eine Familie kommen, sei dies oft schwierig. Ausserdem gelte es zu bedenken: Sobald man zusammenzieht, befindet man sich im Familienmodus – was meist auf Kosten von Paarzeit und Beziehungsqualität geht.
Zur Person
Monique Wahlen ist Paar-, Familien- und Trennungsberaterin in der Gruppenpraxis Blickwinkel in Herzogenbuchsee BE.
Foto/Stage: Getty Images
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