Zur Person
Prof. Dr. Sebastian Kernbach ist Assistenzprofessor an der Universität St. Gallen und Leiter des Life Design Lab. Dort lernen Menschen, ihre Lebensträume zu verstehen und in kleinen Schritten mit geringem Risiko Lösungen zu entwickeln. Er wohnt in Zürich.
Herr Kernbach, gemäss einer Umfrage des Migros-Magazins träumen viele Menschen vom Lottogewinn. Überraschend?
Nein, der Sechser im Lotto ist ein Klassiker, ebenso wie die Weltreise. Überraschend und auch beruhigend finde ich, dass nur drei Prozent von einem Promileben träumen. In anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, wären das viel mehr. Die entscheidende Frage ist: Was verbinden die Menschen eigentlich mit diesem Lottogewinn?
Viel Geld?
Vordergründig, ja. Damit kann man sich schöne Dinge kaufen, die man schon immer wollte. Im Kern dürfte es bei vielen aber um etwas anderes gehen: mehr Selbstbestimmung und weniger Fremdbestimmung. Der Geldsegen steht für einen Freiheitsgewinn oder sogar fürs Nichtstun. Der Mensch ist aber nicht gemacht fürs Nichtstun, daher auch die vielen Geschichten über Lottomillionäre, die später in Depressionen, Alkoholismus und sogar Schulden abgleiten.
Was sagen Sie den Menschen in Ihren Seminaren, damit das nicht passiert?
Ich rate immer, den eigenen Träumen mit Neugier und Wertschätzung zu begegnen. Und sage: Erzähl mir mehr. Je mehr man erfährt, desto besser versteht man, welche Bedürfnisse hinter diesen Träumen wirklich stecken könnten. So tun sich Optionen auf, um sie zu verwirklichen. Ich hatte einen 80-jährigen Kursteilnehmer, der seit seiner Kindheit SAC-Bergführer werden wollte.
Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativen Meinungsumfrage, die das Marktforschungsinstitut Innofact aus Zürich im Auftrag des Migros-Magazins durchgeführt hat. Hierzu wurden zwischen dem 11. und 18. Oktober 2023 insgesamt 1030 Personen im Alter von 16 bis 74 Jahren aus der Deutsch-, West- und italienischsprachigen Schweiz online befragt.
Das geht wohl nicht.
Im Gespräch haben wir herausgefunden, dass er gern in den Bergen ist, Verantwortung übernimmt und unter Leuten ist. An diesem Punkt ist Kreativität gefragt: Welche kleineren Versuchsballone können wir entwickeln? Wir nennen das Prototyping. Wie kann man den grossen Traum im Kleinen ausprobieren? Mit weniger Risiko bezüglich Zeit und Geld. Wir haben dann ein Aufwärmwochenende in den Bergen für ihn gebucht, zwei Tage seines Lebens, Kostenpunkt 400 Franken.
Hat er es gemacht?
Ja. Und danach wusste er, dass er körperlich tatsächlich nicht mehr SAC-Bergführer werden kann. Aber er traf dort Leute, die ihm von Wanderwegpartnerschaften erzählt haben. Die muss er dreimal pro Jahr ablaufen, hat Verantwortung und ist Teil eines Netzwerks von Gleichgesinnten, das sich zweimal jährlich zum Grillieren trifft. Das tut er nun. Er hat seinen Traum verwirklicht, aber auf eine andere Art und Weise.
Und wenn die Lösung weniger offensichtlich ist?
Auch das findet man im Gespräch heraus. Eine 50-jährige Teilnehmerin träumte ihr Leben lang von einem eigenen Bauernhof. Sie kam vom Prototyping zurück mit der Erkenntnis, dass sie etwas ganz anderes wollte. Sie hatte den Bauern-hof und Tiere stets mit Wärme und Verbundenheit assoziiert, die ihr im Leben und vor allem in ihrer Familie fehlten. Also begann sie, gewisse Familien-rituale wiederzubeleben, jährliche Treffen und gemeinsame Städtereisen zu organisieren.
Wie reagieren Menschen, wenn sie merken, dass sie eigentlich von etwas ganz anderem träumen?
Sie empfinden es als befreiend, weil in solchen Situationen Hoffnung und Optimismus entstehen. Wir sprechen von «rausgehen und realisieren» – realisieren in der doppelten Bedeutung «in die Praxis umsetzen» und «sich bewusst werden». Ich lerne etwas über mich selbst, indem ich Dinge tue. Und nicht nur darüber nachdenke.

Migros erfüllt Träume
«Migros macht meh für d Schwiiz» – auch an Weihnachten. Dank des Migros-Traumbaums sollen auch die Personen oder Familien, die es gerade nicht leicht haben, schöne Weihnachten feiern.
Kennst auch du Menschen, die es besonders verdient hätten, dass ihr Traum in Erfüllung geht? Von Familienferien über Fitnessabos und Ausbildungsguthaben bis hin zu Festivaltickets und besonderen Erlebnissen hinter den Migros-Kulissen macht die Migros bis zum 24.12. Träume wahr.
Täglich hast du ausserdem die Chance, am Glücksrad einen Einkaufsgutschein zu gewinnen. Mach jetzt mit und lass Träume wahr werden!
Klingt eigentlich einfach. Warum machen wir das nicht alle?
Bisweilen stehen uns mächtige Glaubenssätze im Weg: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Alles zu seiner Zeit. Oder was könnten die anderen denken?
Welche Rolle spielen die «anderen» bei den eigenen Träumen?
Wir Menschen beschäftigen uns einerseits mit uns selbst, sind aber auch im ständigen Austausch mit unserem Gegenüber. Ermutigt uns dieses Umfeld, an Träumen zu arbeiten? Interessiert es sich dafür, unterstützt es mich? Oder sagt es, nein, das geht sowieso nicht. Leider sind die engsten Freunde oder die Familie manchmal die schlechtesten Berater im Träumeverwirklichen. Darum kann es sinnvoll sein, hierfür den vertrauten Kreis zu verlassen. Deshalb kommen Leute gern zu unseren Life-Design-Workshops, weil sie dort ein Umfeld mit anderen offenen Menschen vorfinden.
Wieso träumen eigentlich so viele Menschen dasselbe? Also von der Weltreise, dem Auswandern, dem eigenen Restaurant?
Es gibt eine Studie aus den USA, in der Menschen gefragt wurden, wie sie sich ihr Alter vorstellen. Zwei Dinge fielen auf: Vielen fehlte die Sprache, über solche Dinge zu reden. Im Schnitt waren es weniger als 50 Wörter. Weltreise, Buch schreiben, Restaurant aufmachen. Noch trauriger: Wenn man sie fragte, wie sie darauf kamen, sagten sie: Social Media und Promis. Offenbar fehlt es in der Welt an genügend Beispielen, die über solche Klischees hinausgehen. Auch die Medien spielen mit immer denselben Storys eine Rolle. Wie der Ex-Banker, der jetzt ein Bed and Breakfast führt. Ich erachte es auch als meine Aufgabe zu zeigen, dass es nicht immer diese dramatischen Brüche sein müssen.
Werden Träume umso unrealistischer, je länger man sie in seinen Gedanken reifen lässt?
Wir wissen, dass mit der Zeit Träume zu einer Art Zufluchtsort oder Pause von einer Unzufriedenheit werden können. Wer länger wartet und «leidet», neigt zu immer radikaleren Träumen. So ungefähr: «Jetzt langts, ich kündige und mache noch einmal etwas ganz anders.» Das kann funktionieren, führt aber häufiger zu romantisierten, überhöhten Erwartungen. Die Alternative ist Prototyping. Und egal, mit wem ich arbeite, alle sagen: Ich wünschte, ich hätte dieses Life Design früher kennengelernt, dann hätte ich mehr ausprobiert.
Wer die Methoden des Life Design für sich nutzen möchte, dem sei das Seminar «Design your Life» der Migros-Klubschule empfohlen, das Professor Sebastian Kernbach mitentwickelt hat.
Fotos: Getty Images
Wovon träumst du im Leben? Verrate es uns in den Kommentaren!
Deine Meinung
Gefällt dir dieser Beitrag?