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Im Labyrinth der Töne

Text

Michael West

Erschienen

21.01.2022

Hier ist ihm der Start ins Berufsleben endlich geglückt: Florent Rashiti vor der Migros Bubenberg.

Florent Rashiti hat eine starke Hörbehinderung, die ihm Gespräche oft erschwert. Trotzdem bewährt er sich als Lernender in einer Berner Migros-Filiale.

Eine ältere Kundin fragt Florent Rashiti, wo im Laden die Kaffeefilter sind. Sie redet etwas leise und trägt ausserdem eine dicke FFP2-Maske. Der junge Migros-Mann hört sehr aufmerksam zu, nickt dann lächelnd und führt die Dame zielstrebig zum richtigen Verkaufsregal.

Eine ganz normale Szene und eigentlich nicht der Rede wert? Für die Kundin mag das so sein, doch für den 23-jährigen Lernenden sind solche Gespräche mit Fremden oft eine Herausforderung. Zwar kennt er seinen Supermarkt, die Migros Bubenberg gleich beim Hauptbahnhof Bern, regelrecht auswendig – er weiss genau, wo jedes Produkt ist. Doch Rashiti hat seit seiner Geburt ein stark eingeschränktes Gehör. Zwei leistungsstarke Hörgeräte in seinen Ohrmuscheln helfen ihm durch den Alltag. Zur Not könnte er Sätze auch von den Lippen seines Gegenübers ablesen. Nur klappt das jetzt nicht mehr, weil alle im Laden eine Maske tragen.

Wenn es rauscht und klimpert

Mühsam können für ihn auch die vielen Nebengeräusche in der Migros-Filiale sein. Wenn Kleingeld klimpert, Lüftungen rauschen oder über Lautsprecher für Aktionen geworben wird, versteht er einen Kunden noch schlechter, der vielleicht ohnehin schon undeutlich redet. «Extrem laute Geräusche werden von meinen Hörgeräten automatisch gedämpft», erzählt Rashiti. «Das ist ein Vorteil, wenn ich zum Beispiel hinter dem Laden an der Rampe eine Lieferung in Empfang nehme und plötzlich ein Palett auf den Boden knallt. Andererseits habe ich auch mal einen Probe-Feueralarm nur abgeschwächt gehört und konnte ihn nicht richtig einordnen.»

Trotz solcher Schwierigkeiten fühlt sich der angehende Detailhandelsassistent in seiner Migros richtig zu Hause. Er interessiert sich für die verschiedenen Sortimente und möchte genau verstehen, wie der Laden funktioniert. Im 35-köpfigen Team ist «Räschu», wie man ihn hier kumpelhaft nennt, sehr gut integriert. «Wir alle schätzen ihn», sagt Filialleiter Shaip Avdullahi (33). «Er ist enorm motiviert, und seine fröhliche Art ist Tag für Tag ein Aufsteller.»

Florent Rashiti bedient eine Kundin in der Migros Bubenberg.

Hier ist ihm der Start ins Berufsleben endlich geglückt: Florent Rashiti in der Migros Bubenberg.

Hier habe ich eine Chance bekommen.

Florent Rashiti Lernender

So viel Wertschätzung hat Florent Rashiti nicht an jedem Arbeitsplatz erlebt. In seiner beruflichen Entwicklung gab es einige Rückschläge. Er machte zuerst eine Mechanikerlehre in einer Werkstatt, die für die SBB Bestandteile von Eisenbahngeleisen herstellte. «Ich war damals noch extrem unsicher», erinnert sich der Berner. «Ich hatte dauernd Angst, etwas falsch zu machen, und habe deshalb meine Kollegen und Chefs mit Fragen bombardiert. Es fiel mir schwer, Aufträge selbständig zu erfüllen.» Nach dem Abschluss der Ausbildung war ihm klar, dass er sich in dieser Berufswelt nicht zurechtfinden würde.

Er arbeitete danach einige Zeit lang als Logistiker in einem grossen und etwas anonymen Spitallager, bevor er in der Migros Bubenberg mit mittlerweile 22 Jahren einen Neustart versuchte. «Ich wurde hier sehr freundlich aufgenommen», sagt Rashiti. «Ich spürte sofort, dass man mir eine Chance geben will, und ich habe vom ersten Tag an viel gelernt. Meine Berufsbildnerin und der Filialleiter wurden schnell zu Vertrauenspersonen, mit denen ich auch über Probleme reden kann.»

Kunden werden Kollegen

Die Kundenkontakte waren wegen seiner Hörbehinderung anfänglich eine Bewährungsprobe. Doch wenn er ab und zu nachfragen musste, weil er etwas nicht verstanden hatte, reagierte kaum jemand ungeduldig. «Mir gefällt auch, dass hier viele Berufsschüler und Studierende einkaufen», sagt Rashiti. «Es ist schön, bei der Arbeit so vielen Gleichaltrigen zu begegnen. Manche von ihnen kenne ich inzwischen und begrüsse sie jeweils.»

Rückblickend kommt ihm sein beruflicher Weg wie eine Treppe vor: «Ich musste Stufe für Stufe emporsteigen, bin dabei selbstsicherer geworden und habe mehr Überblick gewonnen.»

Und manchmal sind sein eingeschränktes Gehör und die damit verbundenen speziellen Fähigkeiten gar ein Vorteil bei der Arbeit. So war das etwa, als einmal ein gehörloser Kunde Fragen zu seinen Cumulus-Bons hatte. Florent Rashiti sprang sofort ein und konnte dem Mann in Gebärdensprache Auskunft geben.

Inklusion bei der Migros

Inklusion gehört zur DNA der Migros. Sie ist selbstverständlicher Teil des Arbeitsalltags. Im Unternehmen arbeiten Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, mit körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, ebenso hilft die Migros sozial benachteiligten Jugendlichen auf ihrem Weg in und durch die Berufswelt.

Damit nimmt die Migros einerseits ihre soziale Verantwortung wahr, anderseits profitiert sie von einem Vorteil auf dem Arbeitsmarkt: In dem sie Arbeitskräfte nicht von vornherein ausschliesst sondern nach Wegen und Lösungen sucht, Menschen mit Beeinträchtigungen zu integrieren. So tragen diese mit ihren Fähigkeiten zum Erfolg der Migros bei. Mehr zum Engagement der Migros unter migros.ch/jobs

Fotos: Monika Flueckiger

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