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Homophobie an Schulen: Das sagt die Wissenschaft

Text

Ralf Kaminski

Erschienen

28.09.2022

Zwei junge Männer belästigen Jugendlichen

Homosexuelle erleben viele Anfeindungen in der Schule. Das zeigt eine Studie der Hochschule für soziale Arbeit.

Ein Viertel aller befragten Schüler*innen haben sich schon bewusst negativ verhalten gegenüber (vermeintlichen) Schwulen in der Schule. Dies ergab kürzlich eine Studie von Patrick Weber (38), einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Hochschule für soziale Arbeit (FHNW) in Olten. Er hat dafür über 2000 Schüler*innen in 30 Schulen der gesamten Deutschschweiz befragt, jeweils im 8. oder 9. Schuljahr. Noch viel weiter verbreitet ist indirektes homonegatives Verhalten, also etwa ein gedankenlos hingeworfenes «das ist so schwul».

«Solche Anfeindungen sind an Schweizer Schulen heute ganz offensichtlich Alltag», sagt Weber, der zuvor schon kleinere Studien mit ähnlichen Resultaten gemacht hatte und deshalb nicht besonders überrascht war von den unerfreulichen Ergebnissen. Er hat zudem die Plattform «du-bist-du» aufgebaut, die queere Jugendliche unterstützt. «Da höre ich natürlich auch viele solche Geschichten.»
 

Patrick Weber

zvg

Patrick Weber

Weber (38) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Diversity-Beauftragter an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Olten. In seiner Dissertation hat er das homonegative Verhalten bei Jugendlichen in der Deutschschweiz untersucht.

In seiner Studie hat er auch die Gründe für dieses feindselige Verhalten untersucht. Zentral ist die Einstellung des sozialen Umfelds. «Wenn schon die Eltern und die Freunde so denken, wird das oft unhinterfragt übernommen.» Eine grosse Rolle spiele auch das allgemeine Schulklima. Weitere Faktoren sind Religiosität – «muslimisch ebenso wie christlich», betont Weber –, sowie persönliche Einstellungen zu traditioneller Männlichkeit.

«Je wichtiger man dies findet, desto grösser ist das Bedürfnis nach Abgrenzung von vermeintlich zu wenig männlichen Schwulen.» Zudem verhielten sich generell aggressivere Leute meist auch homonegativ. Klare Unterschiede gibt es bei den Geschlechtern: «Auch Mädchen machen sich lustig oder verbreiten Gerüchte; Drohungen und gar Gewalt kommt aber eher von Jungs.»

Man sollte nicht versuchen, mit solchen Anfeindungen allein fertig zu werden.

Patrick Weber

Weber rät Betroffenen sich Unterstützung von Lehrer*innen oder Schulsozialarbeiter*innen zu holen. «Man sollte nicht versuchen, mit solchen Anfeindungen allein fertig zu werden.» Falls dies keine Besserung bringe, stehe zudem «du-bist-du» beratend zur Seite. Auch Eltern und Freund*innen könnten helfen.

«Am Ende steht und fällt es damit, wie ernst die Schulleitungen das Problem nehmen – und da gibt es noch immer grosse Unterschiede.» Er plädiert für mehr Sensibilisierung der Lehrpersonen und für aktive Präventionsarbeit an den Schulen. «Wichtig wären das Aufbrechen der Geschlechterrollen und das Aufzeigen und Akzeptieren von Vielfalt im Alltag.»

Trotz der verbreitet negativen Erfahrungen rät Weber jungen Schwulen, auch in der Schule offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. «Aber erst wenn man sich genug stark fühlt, um mit solchen Anfeindungen umgehen zu können.» Die Alternative sei ein enormes Versteckspiel, das unweigerlich auch Teile der Freizeit betreffen würde. «Und das wäre vermutlich am Ende noch belastender.»
 

Was Betroffene erleben

Welche Anfeindungen und homonegativen Einstellungen erleben queere Jugendliche in ihrem Schulalltag? Zwei Betroffene erzählen hier von ihren Erlebnissen.

Foto/Bühne: Getty Images

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