Von 0 auf 100: Dreamteams geben gemeinsam Gas

Um den gesellschaftlichen Wandel anzustossen, braucht es Pioniergeist. Und um Pionierprojekte in die Tat umzusetzen, braucht es ein funktionierendes Team. In unserer Videoreihe verraten drei Teams, wie sie sich gefunden haben, wie sie zusammenarbeiten und wie sie Probleme auf den Tisch bringen.
Für Pionier*innen, die mit Idealismus und Eigeninitiative ihre innovativen Gedanken in die Tat umsetzen, ist das ideale Team nicht nur ein Nice-to-have, sondern ein Must. «Das Team ist wichtiger als die Idee», sagt Stefan Schöbi, Leiter des Migros-Pionierfonds. Denn ohne ein funktionierendes Team geht gar nichts. Die Bedeutung des Teamplay streicht der Pionierfonds deshalb auch in seinem neuen Handbuch «Von 0 auf 100» heraus und widmet dem Thema ein eigenes Kapitel.
Rea Eggli, Pionierin von #letsmuseeum, hat schon viele Projekte aufgebaut und weiss daher, dass die richtige Zusammensetzung des Teams eine grosse Herausforderung ist für ein Startup: «Man braucht Teammitglieder, die nicht nur einen Job machen, sondern sich voll mit dem Projekt identifizieren und sehr viel dafür geben, trotz bescheidenem Lohn und unsicherer Zukunft».
Ich oder Du? Das Dreamteam Rea Eggli und Caroline Schlütter im Gespräch.
Davon ist auch Ondine Riesen vom Projekt Ting überzeugt: «Skills kann man lernen. Das Feuer für die Sache, Sympathie, Wertschätzung, gegenseitiger Respekt sind Grössen, die sich weniger gut entwickeln können, wenn sie nicht zu Beginn schon vorhanden sind.»
Wer ist die richtige Ergänzung?
Wie aber findet man diejenigen Menschen, mit denen man die Welt verändern will und kann? In unserem Handbuch schreiben wir: «Ihr braucht Partner*innen, die euch ergänzen – fachlich wie menschlich. Sucht euch keine Ebenbilder, sondern komplementäre Kompetenzen». Weitere Tipps und Tricks, die Pionier*innen auf der Suche nach dem perfekten Team helfen, stammen von den Pionier*innen selbst. Philipp Glauser vom Projekt Thingsy zum Beispiel empfiehlt für die Wahl der Projektpartner*innen das Buch «Cofounding The Right Way» von Jana Nevrlka.
Und wie lassen sich solche Inputs in die Praxis übertragen? Silvan Groher vom Team Ting erzählt, dass er seine Projektpartnerin Ondine Riesen dank einem Tipp von seiner Frau gefunden hat: «Ich suchte jemanden, der sich in andere einfühlen und eindenken kann und Erfahrungen in Form von Geschichten zu erzählen vermag. Meine Frau sagte wie aus der Kanone geschossen: ‘Dann musst du dich bei Ondine melden’.»
Ich oder Du? Das Dreamteam Ondine Riesen und Silvan Groher im Gespräch
Ziemlich frei von Konzepten, aber mit einer klaren Vision, ist Marius Portmann mit SimpleTrain gestartet. Als er Verstärkung brauchte, holte er seine ehemaligen Gymi-Kollegen Austin Widmer und Linus Egli an Bord. Die gemeinsame Zeit in der Kantonsschule sowie das Wissen um das schulische Verhalten seiner ehemaligen Mitschüler schienen ihm eine ausreichende Basis für die Zusammenarbeit. Dass er damit Recht behielt, zeigt der grosse Erfolg: Das Team ist mittlerweile von drei auf sieben Mitglieder angewachsen. Ihren Pioniergeist und ihren Humor haben sie nicht eingebüsst. «Wir sind wie die Bobmannschaft aus Cool Runnings – ziemlich planlos, aber dann doch recht schnell», lacht Linus Egli.
Ich oder Du? Das Dreamteam Linus Egli und Marius Portmann im Gespräch.
Wie viel Struktur, wie viel Agilität?
Den Vergleich mit Sportteams findet man in der Arbeitswelt mittlerweile häufig. Mike Zani, Autor des Wall Street Journal Bestsellers «The Science of Dream Teams», leitet dies historisch her: Während der Industrialisierung war die Ressource Mensch im Arbeitsprozess austauschbar, heute baut man auf individuelle Talente und Expertisen und setzt diese in denjenigen Rollen ein, wo sie ihr Know-how am besten anwenden können. («If the model for the industrial age was a hyper-efficient Toyota plant, the template for the Information Age might be a professional sports franchise.»)

Das Ting-Team von links im Uhrzeigersinn: Ruben Feurer, Vinzenz Leutenegger, Ondine Riesen, Ralph Moser, David Simon, Silvan Groher, Malik El Bay, Flurin Hess. Bild: Swami Mooday
Das Team um Ting organisiert sich nicht nur um Kompetenz, sondern auch um Präferenz: Die Mitglieder arbeiten in selbst gewählten Bereichen, in denen sie sich wohl fühlen, wo sie ihre bestehenden Fähigkeiten nutzen und sich neue aneignen können. Ihre Organisationsstruktur ist Soziokratie 3.0, die auf einem dezentralen Verteilungsmodell beruht. Es ist rollenbasiert, Entscheidungen werden grösstenteils von mehreren Rollen getroffen. Wichtig ist für das Funktionieren des Betriebes nur, dass sämtliche Basis-Rollen besetzt sind. Alles andere läuft agil und auf die Bedürfnisse von Team und anstehender Arbeit zugeschnitten. (mehr Infos über Soziokratie gibts unter: www.sociocracy30.org).
Das SimpleTrain-Team hat sich zu Beginn auf klassische Strukturen gestützt. Linus Egli sagt: «Am Anfang waren wir CEO und CTO etc. Wir haben dann aber schnell gemerkt, dass man das nicht auf ein so dynamisches, kleines Unternehmen wie uns applizieren kann.»
Rea und Caroline von #letsmuseeum haben untereinander eine klare Rollenverteilung, die auf ihren jeweiligen Talenten beruht: Rea reisst an, entwickelt neue Formate und arbeitet am Business Development, Caroline ist operative Geschäftsführerin und zuständig für die Kommunikation, für die Kundenbetreuung und das externe Team. Rea fügt an: «Bei einem so kleinen Team, in dem alle nur Teilzeit arbeiten und einer Firma, die agil bleiben muss und sich im Wachstum befindet, ist es elementar wichtig, dass alle mitdenken und mitanpacken. Wir leben eine transparente und partizipative Arbeitskultur mit engem Austausch und mit gegenseitiger Unterstützung in der täglichen Arbeit.» Neue Umstände wie beispielsweise Corona fordern auch neue Organisationsstrukturen. Dazu Caroline: «Vor der Pandemie waren wir bis zu 6 Teammitglieder. Mit Corona schrumpfte die Zahl auf Rea und mich mit einem vorhandenen und eingearbeiteten Netzwerk, das wir einbezogen, wenn Bedarf bestand.»

Wollen die Schweizer Bevölkerung von nachhaltigem Reisen überzeugen (v.l.r): Marius Portmann, Karin Hugentobler, Austin Widmer, Saskia Bilang Linus Egli. Bild: (zvg)
Und wenn’s mal harzt?
Natürlich gibt es aber auch bei den drei porträtierten Dreamteams Reibungen. Unstimmigkeiten gibt es immer dann, wenn wir überfordert sind», meint Marius Portmann von SimpleTrain. Doch das Team hat bis jetzt noch jede dieser Klippen umschifft. Indem sie Emotionen zurückhalten, keine persönlichen Angriffe auf die anderen machen und sachlich bleiben. «Wir sind alle miteinander befreundet. Dann will man sowieso keine persönlichen Angriffe machen.»
Bei Ting hat man mit Problemen keine Berührungsängste. Ondine findet mit entwaffnender Ehrlichkeit: «Die Hosen runterlassen entspannt ungemein. Wenn man all seine Schwächen einmal auf den Tisch gelegt hat, können die anderen da helfen, wo es nötig ist. Und man verschwendet keine Energie damit, so zu tun, als könne man etwas, mit dem man in Wirklichkeit Mühe hat.»
Für Caroline von #letsmuseeum ist Kommunikation der Schlüssel: «Als erstes muss man offen darüber reden. Klingt einfach, ist es aber nicht immer. Aber darüber reden, um möglichst genau herauszufinden, wo der Schuh drückt und warum, ist essentiell.»
Zusammen weinen, zusammen feiern
Nochmals ein Vergleich aus dem Sport: Die Bilder von sich weinend umarmenden Fussballern und gemeinsam jubelnden Curlerinnen nach dem Spiel gehören hier dazu wie das Amen in der Kirche. Zum Teamgeist gehört eben nicht nur der schweisstreibende Einsatz, sondern auch das gemeinsame Feiern oder Trauern – das gilt auch für die Arbeit in Dreamteams. «Marius stellt sicher, dass nach der Arbeit manchmal noch ein Bier getrunken wird», so sein Kollege Linus. «Mir ist es halt einfach wichtig, dass allen klar ist, dass wir hier nicht nur arbeiten. Wir wollen auch Spass haben», schmunzelt Marius.
Emotional Storytelling: #letsmuseeum entwickelte 13 Museums- und Stadttouren in unterschiedlichen Städten. Bild: (zvg)
Ein Kniff aus dem Handbuch des Pionierfonds in Bezug auf potentielle Projektpartner*innen lautet: «Fragt euch: Würdet ihr mit der Person zusammenwohnen können?» Rea geht sogar noch weiter und setzt die Beziehung eines Gründer-Start-up-Teams derjenigen eines Liebespaares gleich: «Man ist gemeinsam verliebt in eine Idee und setzt alles daran, sie erstrahlen zu lassen. Man verbringt die ersten Jahre mehr Zeit in dieser Beziehung als mit dem*r privaten Partner*in und erlebt dabei eine Achterbahn der Gefühle – man feiert und weint im Wechselbad, spornt sich an und stützt sich. Da braucht es nicht nur eine gemeinsame Vision, sondern auch gegenseitige Sympathie und starkes Vertrauen ineinander.»
Das spürt man bei den drei in den Videos befragten Zweierteams schnell: Sie leisten zusammen nicht nur mit grösstem Einsatz und viel Herzblut Pionierarbeit, sie schätzen einander auch auf menschlicher Ebene und sind Freunde geworden – wenn sie es nicht bereits waren. Ondine: «Ich vergleiche uns manchmal mit den Ninja Turtles. Alle haben ihre Superfähigkeiten, gemeinsam erleben sie spannende Abenteuer und kriegen das gebacken, was sie sich vorgenommen haben.»

Von 0 auf 100. Das Handbuch für Pionier*innen
Das Handbuch für Pionier*innen
Du hast eine besondere Idee. Eine Idee, die uns als Gesellschaft weiterbringt. Dieses Handbuch für Pionier*innen unterstützt dich dabei, diese Idee an den Start zu bringen und das Richtige richtig zu machen. Mit jeder Menge inspirierender Tipps und Tricks und mit konkreten Werkzeugen. Und vor allem mit all den Erfahrungen, die andere Pionier*innen mit ihren Projekten gesammelt haben. In den insgesamt zwölf Kapiteln findest du praktische Tipps, konkrete Rat- und Vorschläge und jede Menge Von-0-auf-100-Momente, die zeigen, wie sich echte Pionierprojekte anfühlen. Es sind diese kleinen Energiebooster, die zeigen, wie du mit deiner Idee den entscheidenden Auftrieb erhalten und Grosses bewirken kannst. Von 0 auf 100!
Das Buch ist am 25. Januar 2022 im Murmann Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.
Foto/Bühne: Pascal Swier/unsplash
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