Ist es ok, wenn ich ein Theaterstück nicht verstehe?
«Absolut. Es gibt verschiedene Zugänge zu einem Stück – nicht nur über den Intellekt. Jeder Zugang hat seine Berechtigung. Theater ist eine sinnliche und emotionale Achterbahnfahrt. Statt dich zu fragen, worum es im Stück geht, könntest du auch die Live-Atmosphäre auf dich wirken lassen: die Energie der Schauspielerinnen und Schauspieler, die ungewöhnlichen Bühnenbilder und Kostüme, die Reaktionen im Publikum.
Versuche dich von der Vorstellung zu lösen, dass das Theater zuallererst eine Bildungsstätte ist. Natürlich kann es sein, dass du anschliessend klüger nach Hause gehst. Aber genauso wichtig sind die Emotionen, die ein Stück in dir auslöst.»
Mathias Bremgartner, Leiter Migros-Kulturprozent m2act, Fachexperte Darstellende Künste.
Tipp: Vom 11. bis 17. Mai zeigt das Fabriktheater der Roten Fabrik in Zürich das vom Migros-Kulturprozent unterstützte Performance-Theater «Civitas Cunt».
Warum machen Serien süchtig?
«Das hat mehrere Gründe. Viele Serien sind dramaturgisch so aufgebaut, dass die einzelnen Episoden auf ihrem Höhepunkt abbrechen und der Ausgang offenbleibt. Das Publikum will unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht.
Zudem erzeugen Serien ein starkes Zugehörigkeitsgefühl: Wir empfinden die Figuren wie Familienangehörige oder Freunde, deren Schicksal uns etwas angeht. Zusätzlich erhöht wird der Suchtfaktor durch Streaming-Dienste. Mussten wir früher eine Woche auf die nächste Episode warten, können wir heute komplette Staffeln hintereinander schauen.»
Nadine Adler Spiegel, Leiterin Migros-Kulturprozent Story Lab, Fachexpertin Film.
Tipp: Die Serie «Futura» wurde durch das Migros-Kulturprozent Story Lab unterstützt. Die erste Staffel ist auf Play Suisse zu sehen.

Machte mit ihrer Rolle in «The White Lotus» Furore: Schauspielerin Jennifer Coolidge.
Bin ich ein Banause, wenn ich kitschige Liebesfilme mag?
«In der Welt der Kultur gibt es keine Banausen. Kultur ist wie ein Grundnahrungsmittel, das wir in einer grossen Vielfalt geniessen können – schliesslich essen wir auch nicht jeden Tag das Gleiche. Kitsch gehört zu einem abwechslungsreichen Menüplan genauso dazu.
Ein kitschiger Liebesfilm macht nicht nur Freude, sondern stellt wie alle Kulturgüter auch Fragen an die Gesellschaft. Wichtig ist nur, dass wir eine gute Portion Neugier mitbringen, um uns darauf einzulassen.»
Hedy Graber, Leiterin Direktion Gesellschaft & Kultur, Migros-Genossenschafts-Bund.
Tipp: Vom 21. bis 30. April findet in Nyon (VD) «Visions du Réel» statt. Das wichtigste Festival für Dokumentarfilme in der Schweiz wird vom Migros-Kulturprozent unterstützt.
Wann ist Klatschen beim Klassikkonzert erlaubt?
«Im Konzertsaal oder in der Oper wird schon zu Beginn geklatscht. Der Applaus gilt dem hereinkommenden Dirigenten und dem Orchester. Während dem Konzert solltest du nur nach dem Ende eines Werkes klatschen. Dir gefällt der zweite Satz einer Sinfonie besonders gut? Dann warte mit dem Beifall bis nach dem letzten Satz. In der Oper ist Klatschen nach jedem Akt erwünscht – ebenso am Schluss. Im Zweifel: Einfach warten, bis die anderen klatschen.»
Mischa Damev, Intendant Migros-Kulturprozent-Classics, Fachexperte Klassische Musik.
Tipp: Vom 24. bis 26. März wird Joseph Haydns Oratorium «Die Jahreszeiten» in Genf, Bern und Zürich aufgeführt. Das ganze Saisonprogramm der Migros-Kulturprozent-Classics gibt es hier.
Warum denke ich bei zeitgenössischer Kunst oft, dass ich das auch kann?
«Das könnte daran liegen, dass viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit Materialien und Techniken aus unserem Alltag arbeiten. Berühmt ist etwa die Säuglingsbadewanne, die der deutsche Aktionskünstler Joseph Beuys 1960 mittels Heftpflaster, Mullbinden, Fett und Kupferdraht zu einem Kunstwerk gemacht hat – und die ein paar Jahre später versehentlich «gereinigt» wurde.
Kunst kommt aber nicht nur von Können, wie es oft heisst. Entscheidend ist, dass die Künstlerinnen und Künstler mit ihrem Kunstwerk etwas Neues und Einzigartiges erschaffen, das unsere Wahrnehmung verändert.»
Michael Birchall, Kurator beim Migros Museum für Gegenwartskunst.
Tipp: Im Rahmen von «Artist’s Talks» unterhalten sich Esther Eppstein und San Keller am 1. April über das Kunstprojekt «message salon», das mit einem Wohnwagen in der aktuellen Ausstellung «Kunst, Camping, Freundschaft» im Migros Museum für Gegenwartskunst vertreten ist.
Darf ich Kunst von problematischen Künstlern gut finden?
«Das ist eine komplexe Frage. Wir nehmen Kunstwerke (aber auch Literatur, Film, Musik und Tanz) immer durch die Brille der Gegenwart wahr. Museen sind deshalb in der Pflicht, die Werke in die heutigen Debatten einzuordnen, damit sich das Publikum selbst ein Urteil bilden kann.
Das gilt besonders für problematische Künstler: Museen sollten den historischen oder personenbezogenen Hintergrund des Werkes anhand von Begleittexten offenlegen und begründen, warum sie es trotzdem ausstellen.»
Michael Birchall, Kurator beim Migros Museum für Gegenwartskunst.
Tipp: Birchall kuratiert die Einzelausstellung «Close Watch» der finnischen Künstlerin Pilvi Takala, die vom 10. Juni bis 17. September im Migros Museum für Gegenwartskunst zu sehen ist.
Ist ein teures Kunstwerk auch ein gutes Kunstwerk?
«Nicht unbedingt. Der Preis eines Kunstwerkes hat stark mit der Nachfrage und dem Bekanntheitsgrad des jeweiligen Künstlers zu tun. Reissen sich viele zahlungskräftige Sammler um dessen Werke, kann der Preis ins Unermessliche steigen. Was «gute» Kunst ist, hängt letztlich vom Blickwinkel ab.
Für den Kunstmarkt sind zum Beispiel die teuersten Werke in der Sammlung des Migros Museum für Gegenwartskunst auch die besten. Dagegen können dir die Kuratorinnen und Kuratoren viele Werke nennen, die mindestens genauso bedeutend sind, aber einen viel tieferen Marktwert haben. Gut möglich, dass sie den ganz teuren Kunstwerken eines Tages den Rang ablaufen.»
Nadia Schneider Willen, Sammlungskonservatorin beim Migros Museum für Gegenwartskunst.
Tipp: Das Migros Museum für Gegenwartskunst ermöglicht den Besucher*innen zum Wechsel der Acts of Friendship Ausstellung vom 1. Akt auf den 2. Akt einen Einblick in die Umbauphase.

Muss ich Bücher zu Ende lesen?
«Das ist keine Frage der Moral, sondern deiner Prioritäten. Es gibt Bücher, bei denen sich das Dranbleiben lohnt, auch wenn sie dir streckenweise langweilig vorkommen. Beim Lesen kannst du die Entwicklung einer Figur aus nächster Nähe miterleben. Dieser Prozess lässt sich nicht abkürzen oder überspringen.
Wenn du dich darauf einlässt, eröffnen sich dir neue Perspektiven. Mit Büchern ist es wie mit Freunden: Du vertraust ihnen und lässt dich auf sie ein, auch wenn sie dich manchmal irritieren oder nerven. Natürlich kann es passieren, dass du am Ende findest, deine Zeit vergeudet zu haben. Doch manchmal wirst du reicher beschenkt, als du erwartet hast.»
Micha Friemel, Schriftstellerin und Mentorin für Literatur bei Migros-Kulturprozent Double.
Tipp: Das Migros-Kulturprozent unterstützt das Projekt Sofalesungen, in dem Autor*innen in WG-Wohnzimmern, Ateliers, Hinterhöfen oder Schrebergärten im kleinen Rahmen für Publikum lesen.
Wozu braucht ein Film einen Produzenten?
«Während die Regie und die Drehbuchautoren den kreativen Part eines Films verantworten, kümmern sich die Produzenten – zusammen mit ihrer Crew – federführend um die administrativen Angelegenheiten: Sie stellen unter anderem die Finanzierung sicher, organisieren das Casting der Schauspieler oder suchen die Drehorte.
Zudem erstellen die Produzenten die Drehpläne, die den Ablauf der Dreharbeiten festlegen, und sorgen dafür, dass diese eingehalten werden. Neben der Logistik liegt auch die Sicherheit am Set in ihrer Verantwortung. Die Arbeit der Produzenten geht auch nach dem Dreh weiter, etwa bei der Kooperation mit Promotionspartnern für die Kinokampagne oder bei der Ausrichtung der Premierenanlässe.»
Nadine Adler Spiegel, Leiterin Migros-Kulturprozent Story Lab, Fachexpertin Film.
Tipp: Vom 22. bis 26. März finden in Zürich die Schweizer Jugendfilmtage statt, unterstützt vom Migros-Kulturprozent.

Miles Davis, 1969.
Ab wann bin ich alt genug für Jazz?
«Es gibt kein Mindestalter. Entscheidend ist, dass du dich auf den Jazz einlässt. Er gilt als Amerikas ureigener Beitrag zur Weltmusik. Jazz wurzelt tief in der afroamerikanischen Kultur. In den 1960er Jahren haben ihn Künstler wie der Trompeter Miles Davis einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Als Teil der Populärkultur war Jazz damals auch bei jüngeren Leuten beliebt.
Solche «Popularisatoren» fehlten lange Zeit. Das sieht man auch am Publikum, das tendenziell etwas älter ist. Aber das ändert sich gerade: Eine neue Generation von Musizierenden setzt sich vermehrt mit Elementen des Jazz auseinander – und öffnet ihn so für ein jüngeres Publikum.»
Mirko Vaiz, Fachexperte Jazz, Migros-Kulturprozent.
Tipp: Am m4music, dem Popmusik-Festival des Migros-Kulturprozent, treten am 24. und 25. März auch zahlreiche Jazz-Acts auf.
Fotos: Getty Images
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