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Ariane mit den Silberfingern

Text

Pierre Wuthrich

Erschienen

09.02.2022

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Die aus La Chaux-de-Fonds stammende Pianistin Ariane Haering hat mit dem Alban Berg Ensemble Wien eine erste CD bei der Deutschen Grammophon, dem exklusivsten Label für klassische Musik, aufgenommen. Ein Zeichen für Klasse.

Das Leben einer Musikerin gleicht ein wenig dem einer Weltenbummlerin. Die in Salzburg ansässige Pianistin Ariane Haering kommt gerade aus Perugia und reist morgen nach Südamerika. Wir treffen sie zwischendurch in La Chaux-de-Fonds, in ihrem geliebten Konzertsaal.

«Ich komme gern hierher zurück. Als Kind überreichte ich den Solisten am Ende eines Konzerts die Blumensträusse. Später blätterte ich die Notenseiten für grosse Pianisten um, und mit vierzehn spielte ich da mein erstes Konzert mit Orchester. Dort habe ich auch eine CD mit Mozart-Sonaten mit dem Geiger Benjamin Schmid aufgenommen», erzählt Haering, die in La Chaux-de-Fonds aufgewachsen ist und studiert hat. «Diese Stadt hat mir das Rüstzeug gegeben, um meinen Weg als Pianistin zu gehen: an der Musikschule, wo ich mit dem Klavierspiel begann, am Konservatorium, wo ich meinen Abschluss machte, und am Gymnasium, das mich als Zuhörerin aufnahm. Danach habe ich drei Jahre lang ein Stipendium des Migros-Kulturprozents erhalten, um mein Studium zu finanzieren. All das war sehr wichtig für mich.»

Ich spiele sehr gerne in kleinen Gruppen

Ariane Haering

Nach einem Jahr an der Universität von North Carolina und dem Abschluss mit dem 1. Preis für Virtuosität und Auszeichnung am Konservatorium Lausanne verfolgt die Schweizerin eine erfolgreiche Karriere als Solistin, die sie jedoch unterbricht, um eine Familie zu gründen und ihre vier Kinder grosszuziehen. «Für mich kam das ganz selbstverständlich, denn ich hatte bereits ein intensives Leben als erfolgreiche Musikerin», konstatiert Ariane Haering.

Gelungenes Comeback 

Seit einigen Jahren, insbesondere ermutigt durch ihre Schwiegermutter und ihre Kolleginnen und Kollegen, tritt Ariane Haering wieder auf. 2015 wagt sie zusammen mit der Pianistin Ardita Statovci das Experiment «Duo Ariadita», ein Jahr später gründet sie das Alban Berg Ensemble Wien mit, ein Septett, das sich mit der hohen Qualität seiner Aufführungen schnell einen Namen gemacht hat. So kam es, dass die Deutsche Grammophon, das wohl renommierteste Musiklabel, beschloss, mit ihr mindestens drei CDs zu produzieren. «Das ist eine grosse Ehre und eine schöne Anerkennung», so Ariane Haering.

Die erste CD* erschien 2020 und sollte eigentlich mit einer Konzertreihe verbunden sein, die jedoch wegen der Pandemie abgesagt wurde. Sie befasst sich mit Richard Strauss, Gustav Mahler und Arnold Schönberg. «Die Werke wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben, das war eine Wendezeit in Wien», erklärt die Pianistin. «Die Monarchie ist immer noch präsent, aber man spürt die Moderne, ob in der Architektur oder in den Künsten, mit der Wiener Secession oder mit der Geburt von Freuds Psychoanalyse. Die ganze Ambivalenz und der Wandel finden sich in den Werken dieser drei Komponisten.»

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Ariane Haering gehört zu den wenigen Musikerinnen, von denen es Aufnahmen der Deutschen Grammophon gibt. Hier im Musiksaal von La Chaux-de-Fonds.

Vielseitiger Geschmack

Neben dem Vergnügen, diese Stücke zwischen zwei Welten zu interpretieren, schätzt Ariane Haering auch das Spiel im Septett. «Ich spiele sehr gern Kammermusik im kleinen Kreis. Das Klavier kann ein Soloinstrument sein, aber für mich ist das Gemeinsame sehr wichtig. Dass es in unserem Septett keinen Dirigenten gibt und dass alle sich gleichberechtigt einbringen, halte ich für wesentlich.»

Ein weiterer Vorteil eines kleinen Ensembles liegt in der Klarheit der Interpretation, mit der die Werke zu Gehör gebracht werden können. «Wir verlieren zwar das Klangvolumen, das grossen Formationen eigen ist, aber hier tritt jede Instrumentengruppe glasklar hervor, und das Publikum kann die Absicht des Komponisten besser nachvollziehen.»

Aber wer Ariane Haering auf die klassische Musik reduziert, kennt die Pianistin schlecht. «Mein vielseitiger Musikgeschmack und die Leidenschaft für Herausforderungen bringen mich immer wieder dazu, neue Horizonte zu erschliessen. Demnächst werde ich mit dem Sänger Pascal Auberson und dem Pianisten und Arrangeur Gaspard Glaus einen Ausflug in den Jazz und das Varieté machen.» Die Aufführung ist für die nächste Saison geplant. Es heisst also dranbleiben.

Infos: Das Alban Berg Ensemble Wien spielt am 20. Februar in La Chaux-de-Fonds. Das Konzert wird von Espace 2 aufgezeichnet.

* Erhältlich auf exlibris.ch

 

Schnell gesagt

Eine Wohnung ohne Klavier ist …

«Unvorstellbar. Wenn es keins gibt, bringe ich ein E-Piano mit! Das gilt auch für Hotels.»

Mit welchem Komponisten würden Sie gern zusammen essen?

«Mit Johannes Brahms. Er hat so viele ausserordentlich komplexe Werke für das Klavier komponiert. Ich würde ihn bitten, sie mir zu entschlüsseln.»

Ein anderes Instrument als das Klavier, in das Sie sich hätten verlieben können …

«Das Cello. Ich habe es ein paar Jahre lang gespielt. Ich mag tiefe Töne und tiefe Stimmen.»

Ein Held, der Ihr Leben verändert hat …

«Der Pianist Alfred Brendel. Er hat mir eines meiner intensivsten musikalischen Erlebnisse in einem Konzert beschert.»

Eine Eigenschaft, die Sie an anderen bewundern …

«Mitgefühl.»

Eine Gabe, die ihnen fehlt …

«Zeichnen können.»

Sterben würden Sie gern …

«Umgeben von denen, die ich liebe.»

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Ariane Haering im Musiksaal von La Chaux-de-Fonds.

Fotos/Bühne: © Guillaume Perret/Lundi13

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