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Dieser Mann will aus alten Möbeln neue machen

Text

Benita Vogel

Erschienen

11.05.2020

Der Geschäftsleiter der Stiftung Pusch Felix Meier sitzt auf dem Gehweg in einem Drehstuhl

Wiederverwenden statt wegwerfen: Der Biochemiker Felix Meier und der Migros-Pionierfonds spannen zusammen, um die Kreislaufwirtschaft für Bürostuhl, Matratze und Co. salonfähig zu machen.

Sofas, Bürostühle, ganze Bettgestelle – und vor allem haufenweise Matratzen: Felix Meier traute seinen Augen nicht, als er eine Entsorgungstour zur Deponie Werdhölzli in Zürich unternahm. Abfall ist für den Biochemiker nichts Neues – als Geschäftsleiter der Stiftung Pusch beschäftigt er sich beruflich damit: Die Organisation ist im Bereich Umweltschutz für Gemeinden, Schulen und Firmen tätig und zeigt, wie man sauber entsorgen kann.

Das Bild im Recyclinghof ging Felix Meier nicht mehr aus dem Kopf. «Es kann nicht sein, dass wir so viele Gegenstände einfach wegschmeissen», sagt er. Kurzerhand änderte er den Fokus der Stiftung und setzte stärker auf Abfallvermeidung statt -entsorgung. Kreislaufwirtschaft heisst das im Fachjargon. Das Ziel: Rohstoffe so lange wie möglich nutzen, um Ressourcen zu sparen. Denn sie sind nicht unendlich verfügbar. Produkte sollen nach Gebrauch repariert, erneuert und wiederverwendet werden, anstatt im Müll zu landen. Wenn nichts mehr möglich ist, werden sie recycelt und die einzelnen Teile weiterverarbeitet.

Es kann nicht sein, dass wir so viele Gegenstände einfach wegschmeissen.

Felix Meier, Geschäftsleiter Stiftung Pusch

Felix Meier und sein Team werden vom Migros-Pionierfonds unterstützt, dem Förderfonds der Migros (siehe Box unten). Die Partner wollen das nachhaltige Wirtschaftsmodell primär in der Möbelbranche etablieren und haben dazu das Projekt «Make Furniture Circular» lanciert. «Stühle, Tische und auch Matratzen werden wie Kleider immer schneller ausgetauscht», erklärt Meier. Und wie seine Beobachtung in der Mülldeponie gezeigt hat: Sie bergen ein enormes Potenzial an Materialien, die vor dem Feuertod gerettet werden können. In der Schweiz landen jedes Jahr rund eine Million Matratzen im Müll und verursachen 30 000 Tonnen Abfall: Stoff, Schaumstoff, Wolle, Metall, Rosshaar, Holz und andere Materialien, die weiter verwendbar sind.

Das Recyclingunternehmen TFR Group in Grossbritannien macht es vor: Es zerteilt die Unterbetten im grossen Stil und verwendet 60 Prozent der Materialien, indem es beispielsweise Gymnastikmatten herstellt. Auch in den Niederlanden ist die Wiederverwendung längst bekannt.

Der Geschäftsleiter der Stiftung Pusch vor einer Backsteinwand

Felix Meier, Geschäftsleiter Stiftung Pusch. Foto: Roger Hofstetter

Länger liegen dank Bettenleasing

In der Schweiz ist man noch nicht so weit. Immerhin gibt es Ansätze, die Lebensdauer von Matratzen zu verlängern. So hat der Hersteller Elite aus Aubonne VD ein Bettenleasing für Hoteliers lanciert: «‹Smart Lease› erlaubt es den Hoteliers, die Matratzen und Betten der Belegung entsprechend zu bezahlen», sagt Chef François Pugliese. Jede Übernachtung wird registriert und dadurch auch der Produktverschleiss gemessen. Je nach Belegung werden die Matratzen ausgetauscht – das verzögere den Verschleiss. «Unsere Matratzen halten je nach Auslastung 15 bis 25 Jahre lang», sagt Pugliese. Andere Hotelmatratzen müssten alle drei bis fünf Jahre ausgewechselt werden. In der Schweiz landen jedes Jahr rund eine Million Matratzen im Müll und verursachen 30'000 Tonnen Abfall.

Elite setzt zudem auf natürliche Einzelkomponenten wie Rosshaar und Seide: So können Matratzen aufgefrischt oder zumindest einfacher rezykliert werden. Die Firma gilt als Vorreiter inder Branche – allerdings mit wenigen Nachahmern.

Um das zu ändern, hat das Projektteam um Felix Meier zu einem Workshop eingeladen: Anfang Jahr trafen sich Matratzenhersteller wie Elite, Möbelhändler wie Micasa und Recyclingfirmen wie Innorecycling, um sich über die Lebensverlängerung und das Recycling der Schlafunterlagen auszutauschen. Die gute Nachricht: Die Logistik besteht bereits; alte Matratzen werden von den Möbelhändlern meist zurückgenommen. Und: Die Beteiligten halten die Kreislaufwirtschaft bei Matratzen für eine gute Sache. «Das Volumen ist gross, das Potenzial also vorhanden – auch wenn der Teufel im Detail liegt», sagt Markus Tonner, Chef von Innorecycling. Auch Migros-Tochter Micasa ist an einer Zusammenarbeit «sehr interessiert», wie Micasa-Vertreter Flückiger sagt.

Geschäftsmodelle im Dienst der Umwelt

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Schwerpunktthema des Migros-Pionierfonds. «Das lineare Wirtschaftsmodell Produktion–Verwendung–Abfall stösst an die Grenzen, deshalb wollen wir die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz etablieren», sagt Projektleiterin Corinne Grässle. Sie führe zu einem sparsamen und effizienten Umgang mit Ressourcen und zu weniger Abfall. «Das hilft der Umwelt und birgt die Chance, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.» Der Migros-Pionierfonds hat deshalb fünf Projekte zum Thema lanciert, darunter «Make Furniture Circular».

Der Migros-Pionierfonds, hinter dem Migros-Unternehmen wie Denner, Migros Bank, Migrol und Migrolino stehen, ist Teil des gesellschaftlichen Engagements der Migros-Gruppe. Sie investiert dafür jährlich zehn Prozent der Dividende, also 10 bis 15 Millionen Franken.

Infos

Foto/Bühne: Roger Hofstetter

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