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FOMO war gestern, jetzt kommt JOMO!

Text

Marlies Seifert

Erschienen

27.01.2022

Frau liegt auf Sofa

Für viele ist sie ein ständiger Begleiter: FOMO, die Angst, etwas zu verpassen. Wir verraten dir, wie auch du Stress reduzierst und stattdessen JOMO, die Freude am Nichtstun, in dein Leben bringst.

Montag Badminton, Dienstag Feierabendbier, Mittwoch Kino, Donnerstag Geburtstagsparty, Freitag Datenight, am Wochenende ein Kurztrip in die Berge. Klingt vertraut? Zumindest vor der Pandemie sah die Freizeitplanung für viele so oder so ähnlich aus – inklusive kleinen Erledigungen, Besorgungen und Begegnungen, die sich da und dort noch reinquetschen liessen. Ganz schön anstrengend! Ursache für diesen Freizeitstress ist oftmals FOMO: Fear Of Missing Out. Oder zu Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen. Sie führt dazu, dass wir uns zu Dingen verpflichten, auf die wir gar keine Lust haben oder für die uns die Energie fehlt. Aber wieso fällt es uns so schwer, zu Verabredungen nein zu sagen? «Dahinter steckt sozialer Druck», erklärt Roger Staub, Geschäftsleiter von Pro Mente Sana. «Wir möchten andere nicht enttäuschen – tun uns damit aber selbst keinen Gefallen.»

Endlich konnte man guten Gewissens um halb elf ins Bett gehen – im Wissen, wirklich gar nichts verpasst zu haben.

Roger Staub Geschäftsleiter Pro Mente Sana

So stelle man sich zum Beispiel die Frage: Kann ich denn noch mitreden, wenn meine Freunde einen Film ansehen und ich nicht mitgehe? Gehöre ich dann noch dazu? Gerade Menschen mit einem schwachen Selbstvertrauen bräuchten viel Bestätigung von aussen. «Für sie ist es schwieriger, sich diesem sozialen Druck zu entziehen und auf die innere Stimme zu hören.» Insbesondere für junge Menschen sei das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe zentral. «Sie wurden von den Corona-Massnahmen deshalb auch stärker getroffen als andere Altersgruppen», sagt Staub. Für viele Personen mittleren oder höheren Alters sei der erzwungene Slowdown durch den Lockdown hingegen eine willkommene Entlastung gewesen: «Endlich konnte man guten Gewissens um halb elf ins Bett gehen – im Wissen, wirklich gar nichts verpasst zu haben.»

Faru von hinten, mit hochgestreckten Armen

Einfach mal nichts zu tun haben: JOMO ist ein extrem befreiendes Gefühl.

Nun nimmt der Alltag jedoch langsam wieder Fahrt auf. Man trifft sich wieder zu Drinks, geht Essen, plant Reisen in exotische Länder – und wird wieder von Möglichkeiten, Verpflichtungen und Verabredungen überflutet. Vielleicht ist genau jetzt der Moment, die Freude am Verpassen – oder auf Englisch: JOMO, Joy of Missing Out – bewusst zu kultivieren. Mehr Ruhe in den Alltag zu bringen, hält auch Roger Staub für sinnvoll: «Viele glauben, sie könnten multitasken, aber das ist ein Trugschluss. Unser Gehirn braucht Pausen», mahnt er.

Er plädiert dafür, mehr im Präsenzmodus zu leben: «Für die Psyche ist es besser, einfach mal nur das zu machen, was wir eben gerade machen. Und nicht parallel noch online zu sein», so Staub. «Social Media sind im Zusammenhang mit FOMO eines der Hauptprobleme», ist er überzeugt. Die Lösung: bewusste Social-Media-Pausen. «Das Handy muss nicht bei jedem Spaziergang dabei sein und hat auch im Schlafzimmer nichts zu suchen.» Dann bekommt nämlich man auch nicht mit, was man gerade verpasst – oder noch verpassen könnte, weil die Wochenendplanung in diversen Whatsapp-Chat gerade mal wieder heissläuft.

Wir alle haben nur 24 Stunden pro Tag. Es lohnt sich, hin und wieder darüber nachzudenken, was wir unabhängig von den Vorstellungen anderer mit dieser Zeit anstellen möchten.

Roger Staub Geschäftsleiter Pro Mente Sana

«Ganz grundsätzlich lässt sich sagen: Lass dir deine Agenda nicht von anderen Menschen gestalten. Du bist das Zentrum deines Lebens», sagt Staub. Hast du Lust, diese Woche auswärts essen zu gehen, aber keiner hat Zeit mitzukommen? Geh allein ins Restaurant! Du hast dir einen Abend auf der Couch vorgenommen, wirst aber spontan auf Drinks eingeladen? Sag freundlich ab, wenn du nicht hingehen magst! Ein schlechtes Gewissen brauchst du nicht haben. Wer kein Verständnis zeigt, ist womöglich sowieso kein guter Kontakt. Roger Staub fasst es so zusammen: «Wir alle haben nur 24 Stunden pro Tag. Es lohnt sich, hin und wieder darüber nachzudenken, was wir unabhängig von den Vorstellungen anderer mit dieser Zeit anstellen möchten.»

Agenda mit Ledereinband

Roger Staubs Tipps gegen FOMO

  • Erstelle eine Liste mit Menschen, die du wirklich sehen und Dingen, die du wirklich tun möchtest. Frage dich: Was bringt mir dieser Kontakt? Schaffe in deiner Agenda Platz für deine Prioritäten und halte dich an deine Planung. 
  • Lass deine Terminplanung nicht von anderen bestimmen. Du wolltest am Donnerstagabend ein Magazin lesen, deine Freunde wollen aber ins Kino? Völlig legitim abzusagen! Du bist Herrscher*in über deine eigene Agenda.
  • Verbringe Zeit mir dir selbst! Malen, Lesen oder Wellnessen – viel zu quatschen gibt es da eigentlich nicht, also wieso nicht einfach mal solo machen? Auch das Alleinsein braucht Übung. Probiere unterschiedliche Dinge aus. Irgendwann wirst du wie selbstverständlich allein an ein Konzert oder ins Café gehen.
  • Lege Social-Media-Pausen ein. Auch hier kannst du mit kleinen Schritten beginnen und die Zeiträume allmählich verlängern. Der nächste Bus fährt erst in 10 Minuten? Versuche, die Wartezeit ohne einen Blick aufs Handy zu überbücken.

Mehr Tipps für deine psychische Gesundheit findest du bei iMpuls oder bei Pro Mente Sana. Die Stiftung wird unterstützt vom Migros-Kulturprozent

Fotos: GettyImages

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