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Glück ist keine Glückssache

Text

Deborah Bischof, Yvette Hettinger

Erschienen

23.12.2022

Illustration: Personen die sich umarmen, Katze, Person am schwimmen, Person an Laptop

Wir alle wünschen es uns zu Neujahr. Aber was ist Glück? Ein Gefühl? Ein Lächeln auf der Strasse? Ein Staatsziel? Die gute Nachricht: Wir können unser persönliches Glück selbst beeinflussen.

Was ist Glück?

Es gibt keine allgemeine Definition von Glück, es ist etwas Individuelles. Auch die Glücksforschung kann Glück nicht definieren, denn in Studien urteilen Menschen über ihr subjektiv empfundenes Glück. Einig ist man sich: Es handelt sich um ein Gefühl, das man nicht universell gültig beschreiben kann.

Was macht glücklich?

Das Sozialleben steht ganz zuoberst auf der Rangliste – also Familie, Partnerschaft, Freunde. An zweiter Stelle ein gewisser materieller Wohlstand, gefolgt von Arbeitsplatzsicherheit. Freude an der Arbeit ist ein weiterer wichtiger Baustein des Glücks.

Eine ältere Frau und eine jüngere Frau lehnen aneinander an

Wer ist am glücklichsten?

Mütter bilden die glücklichste aller Bevölkerungsgruppen. Andererseits sind Beziehungen ohne Kinder glücklicher als solche mit. Unabhängig von Zivilstand und Kindern bilden Menschen über 65 die glücklichste Altersgruppe. Das zeigt eine Studie der United Kingdom’s Open University.

Sind Glück und Zufriedenheit dasselbe?

Glück lässt sich wie gesagt nicht definieren. Das macht auch eine Abgrenzung schwierig. Glück wie Zufriedenheit beschreiben zudem beide ein positives, sehr subjektives Empfinden. Zufriedenheit sei jedoch mehr eine Art Grundstimmung, wirke langfristiger, sei dafür aber weniger intensiv als Glück, sagen einige Psychologinnen und Psychologen.

Kann man Glück verordnen?

Im asiatischen Land Bhutan steht das Volksglück seit 2008 als Staatsziel in der Verfassung. Die Regierung geht davon aus, dass ein glückliches Volk den Frieden und die Souveränität der Nation sicherstellen.

… oder lernen?

Seit 2007 gibt es an einigen deutschen Schulen das Schulfach Glück. Geübt wird etwa, psychische und physische Hindernisse zu überwinden, die Gruppe als Kraftquelle zu erkennen oder sich im mentalen Training zu motivieren oder zu beruhigen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass glückliche Schüler und Schülerinnen weniger streiten, kreativer sind, leichter lernen und wissen, worauf es im Leben wirklich ankommt. In der Schweiz hat die Privatschule Theresianum Ingenbohl in Brunnen SZ das Fach Glück 2013 eingeführt. Und die Lehrerin Lucia Miggiano sorgt dafür, dass das Thema andernorts immerhin in Unterrichtslektionen einfliesst.

Illustration: ein Ast mit Herbstblättern, Mann der die Blätter betrachtet, Frau die tanzt

Und was macht dich glücklich?

Der erste Kaffee am Morgen, der Anblick deiner schlafenden Kinder, der Sonnenaufgang auf dem Berggipfel?

Schreib es uns in zwei Sätzen an: aufruf@mgb.ch


Wir sind gespannt.

Warum sind wir glücklich?

Die Fähigkeit, glücklich zu sein, ist zu 30 bis 40 Prozent genetisch bedingt. Zu rund 10 Prozent resultiert sie aus den aktuellen Lebensumständen, zu 50 bis 60 aus persönlichen Entscheidungen.

Macht Schlafen glücklich?

Ja. Wer genug schläft, ist glücklicher als Kurzschläfer, wie der amerikanische Psychologenverband erklärt. Dauerhafter Schlafmangel kann zu schlechter Laune oder gar Depressionen führen.

Was sagt der Körper?

Neurobiologisch betrachtet, ist das Glück ein simpler Vorgang: Wenn der Körper den Botenstoff Serotonin ausschüttet, ist der Mensch glücklich.

Warum machen Tiere glücklich?

Ein felliges Tier streicheln kann gemäss einer Studie der Washington State University innert Minuten glücklich machen. Denn dabei schüttet der Körper das Hormon Oxytocin aus. Dieses ist auch bekannt als «Kuschelhormon» und sorgt für Glücksgefühle.

Mann knuddelt Hund.

Macht Geld glücklich?

Unter Umständen. Wer gar nichts hat, wird durch Geld glücklicher. In der Schweizer Wohlstandsgesellschaft hängt es aber vom Vergleich mit dem Umfeld ab: Haben alle anderen mehr als ich, bin ich unglücklich – egal, wie viel ich habe. Die Reicheren sind also in der Regel nur glücklicher, weil sie mehr haben als die anderen. Unabhängig vom Reichtum können wir alle Geld in Glück transformieren, indem wir es für Dinge ausgeben, die uns viel bedeuten. So ist vielleicht ein teures Hotelzimmer nicht unbedingt das Höchste der Gefühle – wenn die richtige Begleitperson dort ist, hingegen schon.

Was macht Paare glücklich?

Unter anderem einmal pro Woche Sex. Nicht ganz klar ist, ob es der Sex ist, der so zufrieden macht, oder ob eine glückliche Beziehung zu regelmässigem Sex führt. Häufiger Beischlaf macht Paare jedenfalls nicht glücklicher. Und bei Singles zeigte sich gar kein Zusammenhang zwischen Sex und Glücklichsein. Das ergab eine Studie der Uni Toronto in Kanada.

Wo wohnt das Glück?

Die Finnen sind das glücklichste Volk der Welt. Das zeigt der «World Happiness Report», der jährlich die Glückslevel von über 150 Ländern ermittelt. Die Schweiz liegt dabei immer ganz weit vorn, dieses Jahr auf Platz vier, hinter Dänemark und Island. Gemessen werden unter anderem psychische Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Bedeutung von Wertvorstellungen und Lebensglück. Allerdings spielt bei den Topländern auch mit, dass man dort offenbar glaubt, glücklich sein zu müssen, da man ja alles hat.

Weitere Quellen: Mathias Binswanger, Ökonom und Glücksforscher sowie Autor des Buchs «Die Tretmühlen des Glücks»; netdoktor.de; aerztezeitung.de; psychologie-heute.de

Portrait Melanie Alexander

zVg

Glück ist unser gutes Recht, und wir sollten es regelmässig pflegen.

Melanie Alexander, Buchautorin Als Co-Autorin hat Melanie Alexander ein Buch geschrieben, wie kleine Gesten im Alltag zu mehr Glück führen. Im Interview verrät sie, wie das funktioniert.

Was bedeutet Glück für Sie?

Melanie Alexander: Es gibt grundsätzlich zwei Arten: Das kurze, vorübergehende Glück – es wird aktiviert durch freudige Erlebnisse, etwa einen Abend mit Freunden, eine Beförderung im Job oder den Moment, in dem wir etwas Schönes kaufen. Und das langfristige, tiefgründige Glück: Es ist beständig, funktioniert wie ein Boden und schenkt einem ein gewisses Vertrauen.

Und welches von beiden wollen wir erreichen?

Das zweite, da es viel nachhaltiger ist. Bei der Formulierung muss man allerdings aufpassen. Glück ist nicht etwas, das irgendwo in der Zukunft liegt und das man irgendwann erreichen will. Es ist bereits in uns und überall um uns herum. Wir können lernen, es wahrzunehmen und in unseren Alltag zu integrieren.

Und wie geht das?

Als Erstes braucht es die Einsicht, dass Glück kein Luxus ist, dem man sich einmal im Monat widmet. Im Gegenteil, Glück ist unser gutes Recht, und wir sollten es regelmässig pflegen. Unser Gehirn ist leider so programmiert, dass Negatives viel länger haften bleibt. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns bewusst mit den positiven Dingen in unserem Leben befassen. Und da sind wir auch schon beim nächsten Schritt: Ich empfehle, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Darin notiert man alle zwei bis drei Tage, was einen an diesem Tag glücklich gemacht hat. Das können auch kleine, banale Dinge sein.

Und wie erkennt man diese kleinen Dinge?

Das kommt mit der Übung. Am Anfang kann man es sich zum Beispiel zur Aufgabe machen, nach einem Lächeln zu suchen. Das kann von einem Kind im Bus kommen oder von einem Erwachsenen, der an einem vorübergeht. Aktiv kann man für Glücksmomente sorgen, indem man anderen – mit ganz kleinen Gesten – eine Freude bereitet.

Welche Gesten?

Wenn man etwa auf dem Weg zur Arbeit mal die Kopfhörer und das Handy weglässt und seine Mitmenschen wieder bewusst wahrnimmt, können bereits sehr schöne Begegnungen entstehen. Wer schon etwas fortgeschrittener ist, kann anderen auch ein Kompliment machen. Einem Fremden auf der Strasse etwa oder der Arbeitskollegin, die einen immer unterstützt. Das löst meistens schöne Reaktionen aus, die einem viel zurückgeben.

Gibt es auch Farben, Geräusche oder Düfte, die glücklich machen?

Ja, die gibt es. Bei mir beispielsweise ist es der Duft von Pferdemist. Ich war als Kind viel im Stall, und der Duft weckt schöne Erinnerungen. Für andere ist es aber etwas ganz anderes. Jede und jeder kann sich selbst zum Forschungsobjekt machen und herausfinden, was einem guttut.

Was ist das schnellste Glück, das man sich verschaffen kann?

Mein Rezept: Musik und Bewegung. Beides sind Dinge, die wir immer zur Hand haben und die von Natur aus Genuss bereiten. Vor allem Bewegung wirkt Wunder; der Körper hat grossen Einfluss auf den Geist. Auch wenn man sich zum Beispiel einfach mal selbst im Spiegel anlächelt – selbst wenn einem vielleicht gerade nicht danach ist –, kann das tatsächlich helfen.

Buchcover «Das Glück der kleinen Gesten: Gib Glück und es kommt zu dir zurück»

Buchtipp

«Das Glück der kleinen Gesten: Gib Glück und es kommt zu dir zurück»

von Chantal Sandjon und Melanie Alexander, 2019


Erhältlich bei Edel Books

Illustrationen: Veronica Dall’Antonia, Fotos: Getty Images

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