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Wieso wollen wir eigentlich alle dünn sein?

Text

Bettina Bendiner

Erschienen

21.01.2022

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Seit Jahrzehnten beklagen wir «zu dünne» Models. Geändert hat sich nicht sehr viel. Praktisch jeder Mensch ist im Verlauf seines Lebens irgendwann auf Diät. Die meisten haben eigentlich keinen Grund dazu. Warum sie es trotzdem tun.

Im Januar geht’s uns an den «Weihnachtsspeck», im April dürfen wir den Startschuss für die «Bikini-Figur» nicht verpassen und im Herbst hüten wir uns vor zusätzlichen «Wohlfühlkilos». Diät-Kultur floriert. Obwohl wir es inzwischen doch eigentlich alle besser wissen.

#dietculture: Was ist das? 

Diät-Kultur ist im Prinzip eine Brille: Sie lässt uns vermeintliche Makel entdecken, sie filtert Lebensmittel in «gut» und «böse». Dank ihr lesen wir vielleicht zu oft zwischen den Zeilen die latente Botschaft: «dünner ist besser». Dabei heisst dünn nicht automatisch gesund. Es ist nichts Verkehrtes daran, mehr Sport treiben zu wollen, oder etwas für sich selbst und die Gesundheit zu tun. Aber nur, weil glatt polierte Influencer uns ihre schmalen Hüften entgegen schwingen, müssen wir keinen Sport machen. Wir machen dann Sport, wenn wir das selbst entscheiden. Weil wir glauben, dass uns das gut tut. Oder weil wir uns dann besser fühlen. Nicht schöner oder dünner. Besser. Woher kommt aber dieser Körperwahn? 

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Ob beim Blick in den Spiegel oder auf die Waage: Der Vergleich mit unrealistischen Idealen tut uns nicht gut.

Dünn sein – wieso?

Sind wir alle «zu dumm», um es besser zu wissen? Natürlich nicht. Wir alle sind auch das Ergebnis unserer Umstände. Die Forschung zu Körperidealen legt nahe, dass gerade die kulturellen Unterschiede den Unterschied zwischen «zu dick» und «zu dünn» ausmachen. So ergab eine ethnographische Studie 2015, dass die meisten untersuchten Kulturen, eher füllige Frauen bevorzugen. Das hat mit dem Zugang zu Nahrung zu tun: Herrscht Mangel, ist Fett ein Statussymbol. Herrscht Überfluss, ist Mass halten das Luxusgut. In welche Richtung die Waage ausschlägt, hängt von der Zeit, in der wir leben ab. Körperfülle wurde in der Geschichte ebenso oft als Zeichen für Reichtum interpretiert – und damit positiv konnotiert – wie umgekehrt.

Ideale im Wandel der Zeit

So ist die «Size Zero» ein Kind der 00er-Jahre. Und die Grössen 34 und 36 sind auch eine eher neuere Erfindung. In den 1950er Jahren strebten Frauen nach den durchaus durchschnittlichen Grössen 38 und 40. Wie Marylin Monroe und Jane Mansfield. War damals alles besser? Nicht unbedingt. Nicht jede Frau hat von Natur aus Kurven. So hatten Tabletten zur Gewichtszunahme in den USA der Nachkriegszeit Hochkonjunktur. 

Ein Jahrzehnt später kam «Twiggy». Plötzlich wollten alle ein zartes Stöckchen sein. Die Tabletten gingen, die Weight Watchers kamen – und Millionen von Menschen waren fortan auf Diät. In den 70ern durfte es wieder etwas mehr sein – aber gerne mit Muskeln, so wie bei Jane Fonda. Danach wurde es nicht einfacher. Auch nicht für die Supermodels der 90er: Claudia Schiffer und Naomi Campbell brauchten definierte Kurven, kaum Fett und dazu gerne im Minimum 1.80 Meter Körpergrösse. Die Durchschnittsfrau liessen sie damit weit hinter sich.

Echte #Bodypositivity

Schönheitsideale sind wie Gummi-Twist: Es geht mal hoch, mal runter. Die Stolperfalle ist in unserem Kopf: Es sind die negativen Gedanken, die uns den Tag verderben. Denn Irgendwo hat irgendwer, irgendwann die unterschiedlichsten Körper genau wie Lebensmittel in eine gute und schlechte Kategorie sortiert. Statt sich also für vermeintliche Makel zu schelten, sollten wir uns überlegen, mit welchen Attributen wir selbst und unsere Gesellschaft eine bestimmte Körperform verbinden. Wenn wir uns da an der eigenen Nase nehmen  und aufhören, eine bestimmte Körperform mit positiven oder negativen Adjektiven zu verbinden. 

Dann schreiben wir die Geschichte für uns ganz persönlich neu.
 

Wie wichtig ist der perfekte Sommerbody? 

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Foto/Bühne: GettyImages

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