Was ist Leichte Sprache?
Eine besonders gut verständliche Version der Standardsprache. Sie ist als Hilfsmittel für die schriftliche Kommunikation gedacht. Texte in Leichter Sprache verschaffen Menschen mit Leseschwierigkeiten einen besseren Zugang zu Informationen.
Welche Merkmale hat sie?
Texte in Leichter Sprache bestehen aus einfachen Hauptsätzen – mit maximal acht Wörtern pro Satz. Jeder Satz enthält nur eine Information. Nach jedem Satz beginnt eine neue Zeile. Bei Aufzählungen sorgen Listen mit Gedankenstrich für eine klare Struktur. Schwierige Wörter werden vermieden, lange Wörter durch Bindestriche getrennt («Grund-Versicherung»). Es gibt keinen Konjunktiv und keine Passivsätze. Genitiv-Konstruktionen («die Hälfte des Kuchens») sollten möglichst vermieden werden (besser: «die Hälfte von dem Kuchen»). Verneinungen kommen nur sparsam zum Einsatz – wo nötig, werden die Wörter «nicht» oder «kein» fett geschrieben.
Beispiel für Leichte Sprache:
Sparen in der Grund-Versicherung
Sie bezahlen für die Grund-Versicherung eine Prämie.
Eine Prämie ist ein Geld-Betrag.
Sie bezahlen die Prämie an die Krankenkasse.
Sie können bei der Prämie sparen.
Dann bezahlen Sie weniger an die Krankenkasse.
Mehr Kosten selber bezahlen
Sie bezahlen einen bestimmten Betrag an die Kosten
für die Gesundheit selber.
Dazu sagt man: Franchise.
Sie wählen,
wie hoch dieser Betrag ist.
Sie können einen hohen Betrag wählen.
Dann bezahlen Sie weniger für die Krankenkasse.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG), Priminfo
Originaltext:
Sparen in der Grundversicherung
Die Grundversicherung ist die obligatorische Krankenpflege-Versicherung. Sie haben viele Möglichkeiten, bei der Grundversicherung Prämien zu sparen.
Sparen mit der Wahl der Franchise
Die Krankenkassen bezahlen die Gesundheitskosten für die Versicherten. Die Versicherten müssen sich aber an den Kosten beteiligen. Die Versicherten beteiligen sich an den Kosten mit einer Franchise und einem Selbstbehalt. Die Versicherten können eine hohe Franchise wählen und bezahlen dann weniger Prämien.
Was ist die Franchise?
Eine Franchise ist ein bestimmter Betrag, den die Versicherten pro Jahr selber an die Gesundheitskosten bezahlen. Wenn die Franchise aufgebraucht ist, bezahlt die Krankenkasse für die restlichen Kosten. Die Versicherten bezahlen aber auch dann zuerst noch den Selbstbehalt. Die Versicherten wählen die Höhe der Franchise selber. Bei einer hohen Franchise sind die Prämien günstiger. Bei einer tiefen Franchise sind die Prämien teurer.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG), Priminfo
Ist sie identisch mit «Einfacher Sprache»?
Oft werden die Begriffe «Leichte» und «Einfache Sprache» synonym verwendet. Gemäss der Behindertenorganisation Pro Infirmis ist eine klare Abgrenzung schwierig. Tendenziell gilt: Für die einfache Sprache gelten weniger strenge Regeln, so sind pro Satz bis zu 15 Wörter erlaubt.
Seit wann gibt es sie?
Erste Ansätze gibt es in den 1970er Jahren in den USA. Für Europa nimmt Skandinavien eine Vorreiterrolle ein: In Schweden entstand in den 1980er-Jahren eine viel gelesene Zeitung mit Nachrichten in einfacher Sprache. Im deutschsprachigen Raum erscheint 1998 das erste Regelwerk für Leichte Sprache. 2005 eröffnet die Behindertenorganisation Lebenshilfe das erste Büro für Leichte Sprache in Deutschland. Seit den 2010er Jahren breitet sich die Leichte Sprache im gesamten deutschsprachigen Raum rasant aus – angetrieben durch Inklusionsbemühungen und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
Warum brauchen wir sie?
Weil rund 800'000 erwachsene Schweizerinnen und Schweizer eine Leseschwäche haben, wie das Bundesamt für Statistik ermittelt hat. Die Betroffenen sind in ihrem Alltag benachteiligt – sei es beim Erledigen von behördlichen Dingen, bei der Arbeit oder in der Freizeit. Mit Leichter Sprache werden Hürden in der öffentlichen Kommunikation abgebaut und die gesellschaftliche Teilhabe gefördert.

Geschichten in Leichter Sprache
Leichte Sprache eignet sich auch zum Erzählen von Geschichten. Dies beweist das Lesebuch «Und dann klingelst du bei mir», das der Schriftsteller und Journalist Christoph Keller kürzlich herausgegeben hat – mit Unterstützung des Migros-Kulturprozents. Darin sind 23 abenteuerliche und überraschende Geschichten in Leichter Sprache versammelt: Neben Werken aus der Weltliteratur enthält das Buch 14 neue Geschichten. Alle Texte wurden vom Büro für Leichte Sprache von Pro Infirmis geprüft.
An wen richtet sie sich?
Vor allem an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Beeinträchtigungen (etwa infolge einer Hirnverletzung oder einer Demenz). Zur Zielgruppe gehören zudem Personen, deren Lesefähigkeit aus anderen Gründen eingeschränkt ist: zum Beispiel wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche trotz Schulbildung (Illetrismus) oder wegen einer Hörbehinderung. Texte in Leichter Sprache sind aber auch für Personen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch geeignet.
Wo wird sie eingesetzt?
Verwaltungen nutzen Leichte Sprache für Texte auf Webseiten oder in Broschüren. Auch in der Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden kommt sie zum Einsatz (zum Beispiel Regeln zur Arbeitssicherheit). Grundlage hierfür ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2014 in der Schweiz in Kraft ist. Diese fordert Meinungsfreiheit und Informationszugang für Menschen mit Behinderungen. Es gibt aber noch grosse Defizite: Gemäss dem aktuellen Inklusionsindex von Pro Infirmis bemängelt mehr als ein Drittel der Befragten, dass eine angepasste Kommunikation der Behörden oft fehlt oder dass sie auf Unterstützung angewiesen sind, um mit den Behörden kommunizieren zu können.
Foto/Stage: Getty Images
Quellen: Büro für Leichte Sprache Pro Infirmis, Zürich; Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB
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